242 Skepsis (Lukian 6)
Sextus Empirikus (3)
In Lukians satirischem „Verkauf der philosophischen Schulen“(1), wo alle Meisterdenker und Gründer der philosophischen Schulen auf dem Sklavenmarkt in Athen vorgestellt und verkauft werden, fehlt auch nicht der Skeptiker. Diesmal sogar in der Urform der griechischen Antike mit Namen Pyrrhon. Lukian karikiert ihn als typisches Ergebnis für die Endphase einer rigide praktizierten Skepsis: Dass die pyrrhonische Skepsis, konsequent zu Ende geführt, schließlich handlungsunfähig, weil entscheidungsunfähig mache.
Lukian, obwohl selbst Skeptiker und Anhänger der „Neuen Akademie“, setzt die Kritik an der Skepsis, fast schon eine grobe Persiflage, an den Schluss seines Textes, der an allen weltanschaulichen Schulen seiner Zeit um 200 n.Chr. kein gutes Haar lässt. Mit Pyrrhon hat er sich aber auch einen besonders auffälligen Vertreter der Skepsis ausgesucht, der bereits in der frühen griechischen Antike bespöttelt und in Frage gestellt worden ist.
Nach Freud sind so oder so alle Neurotiker Skeptiker und umgekehrt alle Skeptiker Neurotiker, entscheidungsschwach, entscheidungsunfähig. Die Volksweisheit hat eine schöne Geschichte dazu erfunden: Buridans Esel kann sich nicht zwischen zwei Heuhaufen entscheiden, welchen er fressen will, und er stirbt schließlich. Andererseits, wenn man Diogenes in der Tonne damit vergleicht, Prügelei und Masturbation in aller Öffentlichkeit – die Kyniker waren als modische Welle der Zeit nicht weniger auffällig und systemsprengend.
Über Sextus Empirikus gibt es fast keine biografischen Daten, außer dass er vielleicht Mitglied der spätrömischen „Ärzteschule“ gewesen sein mag, auf welches der Name “Empirikus” hinweist.
*
Merkur als Verkäufer: Wer ist denn noch übrig? Aha, Pyrrhon, der Zweifler – hervor! Wir müssen dich noch schnell los werden; die Menge hat sich schon verlaufen, wer weiß, ob sich unter den wenigen, die noch da sind, ein Liebhaber für dich finden wird. –
Hey, meine Herren! Will uns jemand auch diesen noch abnehmen?
Käufer: Der bin ich. Aber sag mir erst, was du weißt.
Skeptiker: Nichts.
Käufer: Wie soll das gemeint sein?
Skeptiker: Dass ich nicht weiß, ob überall etwas da ist.
Käufer: Wie? Also wären auch wir nicht da?
Skeptiker: Wenigstens nicht, dass ich es wüsste.
Käufer: Du weißt also auch nicht, ob du selbst da bist?
Skeptiker: Das ist gerade, was ich am wenigsten weiß.
Käufer: Das heißt die Ungewissheit weit getrieben! Was willst du denn mit dieser Waage?
Skeptiker: Ich wäge die Gründe für und wider so genau darauf ab, als mir möglich ist, und wenn ich sehe, dass sie einander die Waage halten, dann – weiß ich nicht, in welcher Schale die Wahrheit liegt.
Käufer: Aber was im einfachen Leben zu tun ist, das wirst du doch hoffentlich ausrichten können?
Skeptiker: Alles, nur keinen Entlaufenen einholen.
Käufer: Und warum das nicht?
Skeptiker: Weil ich ihn nicht fassen kann.
Käufer: Das begreife, wer will. Du scheinst in der Tat ein langsamer, schwerfälliger Bursche zu sein. Aber was ist denn das Wichtigste in deinem Philosophieren?
Skeptiker: Die Unwissenheit, und weder zu sehen noch zu hören.
Käufer: Du bist also, wie ich höre, auch blind und taub?
Skeptiker: Auch ohne Urteilskraft, ohne Geschmack, mit einem Wort, um nichts besser daran als ein Regenwurm.
Käufer: Das macht mir Lust, dich zu kaufen. Was soll er kosten?
Verkäufer: Um eine attische Mine ist er dein.
Käufer: Hier! – Nun, was meinst du, guter Freund, hab ich dich gekauft?
Skeptiker: Das ist noch nicht so sicher.
Käufer: Oh doch, das ist sehr sicher! Denn ich habe mein bares Geld für dich bezahlt.
Skeptiker: Ich halte mein Urteil darüber noch zurück, bis ich die Sache näher untersucht habe.
Käufer: Folge du mir unterdessen, wie es die Schuldigkeit meines Sklaven ist.
Skeptiker: Wer kann wissen, ob du die Wahrheit sagst?
Käufer: Der Verkäufer, mein Geld und die Umstehenden.
Skeptiker: Sind denn mehr Leute noch da? Die werden dir etwas anderes sagen.
Käufer: Die Mühle, in der du arbeiten wirst, sollte dich bald auf eine sehr fühlbare Art überzeugen, dass ich dein Herr bin.
Skeptiker: Ich halte mich im Urteilen zurück.
Käufer: Zum Jupiter, ich hoffe, mich deutlich genug erklärt zu haben.
Verkäufer: Hör doch einmal auf, dich zu sträuben, und folge deinem Käufer.
Euch aber, meine Herren, laden wir auf morgen wieder ein, wo wir Ungelernte, Handwerker und Bauern feilbieten werden.
1 Lukian „Werke“, Aufbau Berlin 1981(Wieland-Übersetzung)
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