341 Über IT-Kommunikation und Opfer (4/4)
Interview Teil 4
Wie wird es weiter gehen mit unserer Kommunikation? Was glauben Sie?
Sie formulieren richtig: die Zukunft zu beschreiben ist immer eine unsichere, unklare Sache des Glaubens, der Hoffnung, der Angst. Wir erleben wieder einen sehr starken Wandel der Epoche. Deshalb diese großen Unsicherheiten und eine weltweit zunehmende Rückwärtsbewegung ins Bewahrende, Konservative. Man möchte conservare, also bewahren, was in der Tradition für gut befunden worden ist. Man hat Angst vor der Zukunft, was alles noch Unvorstellbare kommen wird. Bewahren auch mittels einer autoritären Diktatur in manchen Ländern. Selbst mit Zustimmung der Bevölkerung, etwa in China. Oder wie die Romantiker, die im beginnenden Industriezeitalter sich noch ein letztes Mal im 19.Jahrhundert angesichts von Dampfmaschine und Eisenbahn ins Mittelalter zurück zu den Burgen und Rittern sehnten, dort ihre blaue Blume suchten, die unauffindbar weil surreal war; sie wussten es. Deshalb auch der Begriff der romantischen Ironie. Sie blieben aber dennoch von einer übergroßen Sehnsucht nach dem Früher beherrscht.
Ich gehöre vielleicht auch manchmal dazu. Was mache ich denn anderes mit meiner Musik? Renaissancelieder mit alten, das heißt akustischen Instrumenten werden zum Leben erweckt, wohlklingend, rückwärtsgewandt, verträumt und ganz ohne Dissonanzen. Ich verwende eine altertümliche Dur-Moll-Tonalität der frühen Barockzeit Monteverdis oder der russischen Kirchen-Orthodoxie. Selbst Septakkorden gehe ich aus dem Weg. Geschweige denn, dass ich Experimente der Neutöner kopiere. Sehr selten und oft nur als Zitat. Alt–vergangene Stimmen und Hoffnungen und Sehnsüchte tauchen wieder auf. Wie die Präraffaeliten in der Malerei des 19.Jahrhunderts lehne ich den akademischen Kunstbetrieb in der Musik der Gegenwart als ein im Dogma der Manipulation festgefahrener „Akademismus“ immer mehr ab. Gerade weil ich so viel darüber nachgedacht und geschrieben habe. Eher schon mag ich die vielen Arten von Filmmusik.
Von einer Wiederverzauberung der Welt wurde schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts geträumt. Die Suche nach Sinn, nach Gott oder dem Irrationalen gibt es immer noch, glaube ich. Auch wenn die Kirchen leer geworden sind oder sogar ganz umgewidmet werden. Doch die Sehnsucht bleibt.
Wird es in Zukunft weiterhin noch ein Schreiben geben? Vielleicht sogar ganz ohne Schrift?
Ein Schreiben ohne Schrift kann ich mir nicht vorstellen. Aber eine Kommunikation ohne Schrift gibt es immer wieder. Selbst jetzt in diesem Augenblick und in unserem Gespräch, etwa Kommunikation durch Gesten oder Gefühle. Ein Sprechen und Schreiben wird es sicher weiterhin geben müssen. Doch die gegenwärtige Form von Lesen und Schreiben wird sich wieder einmal ändern und durch etwas Neues ersetzt werden. Papyrus-Rollen der Antike wurden im Mittelalter von Mönchen ersetzt, die in minutiöser Kleinarbeit neue Buch-Seiten malten, muss man wohl sagen.
Aber auch diese kleinen Kunstwerke wurden schließlich Opfer des Wechsels: Der Buchdruck setzte sich schließlich durch samt einem schlimmen Kollateralschaden, der dann euphemistisch “Reformation” genannt wurde. Es war ein brutales Abschlachten und Zertrümmern ganzer Landschaften und Völker wie heute ja ebenso verlogen auch in fundamentalistischen Kreisen: Im Namen des richtigen Gottes kämpfte man blindwütig gegen den falschen Gott der Gegenseite. Wobei man weder an den einen noch an den anderen Gott geglaubt hat.
Wie wird es mit der Schrift weiter gehen?
Ich entwickle jetzt einmal einen distopischen, also negativ utopischen Ansatz, wie man heute zu sagen pflegt, einen aus meiner Sicht pessimistischen Blick in die Zukunft. Mag sein, dass es nicht soweit kommen wird, hoffentlich nicht. Doch blicken wir einmal mit dieser Sicht in die Zukunft.
Wir werden vielleicht wieder auf einen vorschriftlichen Zustand zurückfallen, wie es ihn lange vor der griechischen Antike und ihrer Hochkultur gegeben haben mag. Es gab vormals nur das Sprechen, die mündliche Kommunikation, das Erzählen und Handeln. Keine Schrift. Wir sind kulturell also in einer vorschriftlichen Zeit. Dann kamen die Phönizier und Ägypter mit ihren neuartigen Zeichen, die man Schrift genannt hat und die das Erinnern-Können der damaligen frühen Menschen–Tiere abgelöst hat durch das Lesen.
Aus diesem Homo sapiens, der vielleicht noch seiner tierischen Vergangenheit nachgetrauert hat wie heute die Gefühls-Therapeuten, die den tierisch reinen Gefühlsausdruck im Menschen und seine Verbalisierung, auch das expressive Ausleben der Gefühle samt Lust und Sex propagieren, entwickelt sich jetzt, mehr als 1000 Jahre vor Christus und bis in die Gegenwart hinein, der Homo scripturae, der Mensch der Schrift.
Ist das die Geburtsstunde des Humanismus? In interessierten Kreisen möchte man gegenwärtig ja bereits das post-humanistische Zeitalter ausrufen.
Ja. Zum Beispiel in China oder bei manchen Gender-Ideologinnen…
Mit der Schrift ist auch das Ideal der Humanität und die Frage geboren: Wann ist denn Mensch ein Mensch? – Nur wenn er lesen und schreiben kann? Damit beginnt auch die Diskriminierung solcher Menschen, die nicht lesen, nicht gut schreiben können. Hochmütig gesagt: Es beginnt die schwere Zeit aller Nicht-Wissenden. Bereits bei Sokrates heilt Wissen im Sinne von Einsicht und Vernunft alle Wunden. Selbst wenn man weiß und paradox propagiert wie er selbst, dass es eher nur ein Nicht-Wissen, ein beschränktes Wissen geben kann. Was bis in die Gegenwart hinein richtig ist und dennoch permanent ignoriert wird. Siehe die Corona-Pandemie.
Das ist ein wichtiger Schritt in der Kultur-Evolution, der bis in die Gegenwart hinein reicht und nun wohl zu Ende geht, abgelöst vielleicht wird durch eine neuartige Sprache und Kommunikation der Maschinen untereinander und der Maschinen mit Menschen. Ansätze dazu gibt es bereits. Wie wir mit Hilfe des Internets schreiben, also „texten“, sagen die Amerikaner, wie wir mit den künstlichen Intelligenzen reden, etwa mit Siri oder Alexa, oder die selbst fahrenden Autos sich selbst steuern lassen, das geht schon in die neue Richtung.
Im „ Phaidros“ haben Sie bereits eine frühe Kritik Platons an der „Verschriftlichung“ der Welt gefunden.
Verschriftlichung der Welt ist gut formuliert, vielleicht noch besser reden wir von der „Verzeichnung der Welt“, die Welt erkennen durch Zeichen. – Ja. Zum Thema Ablösung des Erinnerungsvermögens durch die Schrift und Platons negative Einstellung dazu habe ich im Blogbeitrag Nr.336 geschrieben.
Platons Kritik an der Kommunikation mittels Schrift ist immer noch sehr aktuell, zumal der Philosoph selbst doch ein so schreibmächtiger und sprachkreativer Mensch gewesen ist.
Wird es wieder eine neue Art von Schrift geben?
Es gibt Ansätze dazu. Es gibt bereits eine Sprache der Maschinen, der Computer untereinander. Es wird eine Sprache geben müssen weiterhin wie jetzt auch das „Texting“ zwischen Mensch und Maschine. Die Sprache der Maschinen untereinander wird hoch artifiziell, also künstlich sein.
Auch die Menschen haben sich daran bereits angepasst. Die analytische Philosophie der Gegenwart akzeptiert nur noch eine nummeralisierte, formallogisch festgelegte, also in Zahlen übersetzte oder übersetzbare Sprache; das Letztere ist besonders wichtig. Wir sind also jetzt bei der Digitalisierung, der Digitalisierung des Menschen, „Ich möchte eine Nummer sein“– die Ekstase des Solipsismus und das Ende des Individuums, wir sind bei den Computersprachen, bei der IT-Kommunikation angekommen. Alles andere ist Humbug, unwissenschaftlich, sagt die Sprach-Polizei von Oxford oder Cambridge. Die Sprache der Philosophie, der Geschichte, meine Sprache jetzt – vergessen wir es. Alles nur Kunst, schöne Literatur, wenn’s hoch kommt. Nicht geeignet für das Wissen einer Universität. Sagt die gegenwärtig herrschende analytische Philosophie.
In der Sokal-Affaire wurde dem französischen Soziologen Baudrillard „eleganter Unsinn“ vorgeworfen. Siehe meinen Beitrag Nr.46 dazu im Blog. Hier in Stuttgart hat Max Bense mathematisch, also informationstheoretisch genau beweisen wollen, was gute und was schlechte Kunst zu sein hat. Die Literatur in seinem Heißenbüttel-Kreis oder die Skulpturen Hajeks im Stadtbild, auch die Gestaltung mancher U-Bahn-Stationen etwa von Klenk hier in Stuttgart sind das traurige Ergebnis.
Ähnlich gehen auch die Musikmathematiker, die Akademisten der sogenannten Neuen Musik vor, wenn sie den subjektiven emotionalen Ausdruck eines Menschen in der Musik durch Zahlenreihen und intellektuelle Komplexität „vergeistigen“, eingrenzen, also kastrieren wollen.
Was bleibt dann konkret für jeden einzelnen?
Unter den Menschen wird es eine rudimentäre Schrift-Sprache geben müssen, die sich nicht zuletzt um Handlungsanweisungen kümmert. Ähnlich wie Twitter bereits heute schon. Das kann mit VoiceMails, Bildern oder anderen Zeichen auch geschehen, aber nicht nur. Vielleicht werden sich auch die verschiedenen KunstSprachen selbst weiter entwickeln im Sinne von lernfähigen und sich selbst steuernden, sich selbst verbessernden Maschinen. Doch wer programmiert die Programmierer dieser sich selbst weiter entwickelnden Maschinen, die uns vielleicht sogar ihre eigene Sprache aufzwingen möchten?
Sie sehen, wir sind bereits im Bereich der Science-Fiction-Fantasie.
Doch das Sprechen der Menschen untereinander, selbst das reduzierte, verkürzte emotionale Stammeln mit Emoji-Zeichen wird eine Schrift zur Definition benötigen. Ich glaube nicht, dass das Leben oder die Steuerung einer Gesellschaft ganz ohne Schrift, ganz ohne Abstraktionen wie jetzt in unserem Gespräch gehen wird.
Dass es also eine allgemeine Sprache und Schrift geben wird, wie ich immer wieder schreibe und verlange, die zumindest von den Mächtigen und den Herrschenden gesprochen werden kann, damit sie ihre Macht und ihr Reich der Steuerung unbeschadet weiter leben lassen können.
Und es wird eine Sprache der Maschinen weiterhin geben, damit diese funktionieren und ihre Bedürfnisse mitteilen können, etwa das Bedürfnis nach Energie oder was auch immer. Nur so werden sie unser und ihr eigenes tägliches Leben organisieren und gestalten können.
Vielleicht dass sich diese Maschinen dann sogar einmal selbst fortpflanzen werden. Also im Sinne einer neuen Stufe der Evolution: der Mensch ist jetzt der Unterlegene wie früher die Affen. Wie die Affen als Herrscher der Welt dem Menschen weichen mussten, so werden die Menschen bald vielleicht den sich selbst steuernden Maschinen und Drohnen weichen müssen. Wenn auch nur vorläufig partiell. Sie merken, ich bin immer noch im Bereich der Science-Fiction-Kunst, wie sie gegenwärtig in den USA sehr populär ist und in Kalifornien besonders ausgeprägt diskutiert wird. Von künstlicher Intelligenz gesteuerte Cyber-Wars auf „Weichteile“, so werden jetzt die Menschen von den „intelligenten“ Kriegs-Maschinen genannt, die sind dort in aller Munde. Besser gesagt in vielen Serien und Filmen.
Sie sprechen von einer „allgemeinen Sprache“. Was verstehen Sie darunter?
In der Scholastik gab es auch einen sehr komplizierten Diskurs im Sprechen und Schreiben, ein regelrechter Manierismus der Sprache wie in der antiken Schule der Stoa. Auch heute noch ist er sehr schwer zu verstehen. Montaigne und die Renaissance haben dieses künstliche oder ich kann auch sagen kunstvolle lateinische Sprechen und Denken mit einer „allgemeinen Sprache“, wie ich sie verstehe, sehr erfolgreich in Frage gestellt und auch verändert. Die Ideen der Aufklärung ließen nur so sich vermitteln, popularisieren. Nicht durch ein Nachdenken über die Wahrheit von Allgemeinbegriffen wie im Universalienstreit des Mittelalters.
Doch jetzt ist die allgemeine Sprache vielleicht nur noch ein frommer Wunsch von mir, eine Illusion. Dass man sich beispielsweise auf die Philosophie-Sprache der Vergangenheit, insbesondere der Philosophie-Geschichte einigt und mit diesem Vokabular die Probleme unserer Zeit, unserer Welt, auch der gegenwärtigen Politik löst. Allgemein verständlich und verallgemeinerbar sein, wie es ja mittlerweile auch manche Computer-Sprachen versuchen, das bedeutet, dass man sich vielleicht doch irgendeinmal auf eine einzige oder wenigstens auf einige wenige Sprachen einigen werden kann.
Doch das ist wohl eine Illusion, wie ich schon sagte. Diese Zeit ist vorbei. Unter der autoritären Herrschaft des Szientismus wird es nur eine sehr spezifische Kommunikation der Maschinen untereinander geben, wie es sie jetzt auch schon gibt. Es wird eine Sprache der Menschen untereinander geben, die aber abstrakte Begriffe, wie sie der Geist des Menschen in den Geisteswissenschaften erzeugt und erzeugt hat, ganz vermeiden will. Das historisch so nützliche Mit-und Gegeneinander von Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften, alle mit ihrer eigenen Vorstellung von Wahrheit, ja sogar von Moral, ist am Ende.
Auch Ihre Sprache ist also am Ende?
Diese Sprache von mir, wie ich sie jetzt spreche und zwar ganz im Sinne der Geisteswissenschaften oder auch der Kunst, gerade nicht der Natur-oder Ingenieurswissenschaften, auch die ich schreibe – wer wird sie lesen, sie verstehen wollen? Jetzt schon ist sie irgendwie museal. Wer versteht sie, wer kann sie lesen, interessiert sich noch dafür? Sie wird zum Forschungsgegenstand werden wie die Hieroglyphen Ägyptens oder die alten Sprachen Lateinamerikas und Afrikas.
Die neue Sprache wird die Sprache der Maschinen sein, ich wiederhole mich, wie der Mensch mit den Maschinen und wie die Maschinen miteinander kommunizieren werden. Der Mensch wird zu einer Maschine werden müssen und umgekehrt. Maschinen werden menschliche Eigenschaften besitzen. Siri oder Alexa zum Beispiel sind schon solch attraktive KunstFrauen. Siri ist in Kalifornien erfunden worden und sie besitzt die anglo-amerikanische Schlagfertigkeit. Also auch einen Witz, eine selbstbewusste Ironie, die zumindest uns Deutschen meist abgeht.
Sie mögen also die Gespräche mit Siri?
Es sind Maschinen, „alternative Intelligenzen“ (AI) sagen schon manche Amerikaner statt artificial, „künstliche Intelligenz“ (KI). So nennen wir diese neuen Helfershelfer immer noch altmodisch, die mit uns sprechen können, auch sehr vernünftig sprechen können. Die in nicht allzu langer Zeit auch Kinder erziehen und sich mit Kindern beschäftigen werden. Umgekehrt werden bald ganze Organsysteme aus unserem Körper ausgelagert oder ersetzt, vielleicht sogar mit nur noch technischen Mitteln wieder weiter funktionieren. Etwa künstliche Zähne, Gelenke, Organe, die elektrische Stimulation mancher Gehirnbereiche, was Schmerz, Bewegung oder Fortpflanzung betrifft und so weiter. Cyber-Sex geht bereits in diese Richtung.
Kaum zu schweigen von der Reproduktion unsere Art. Das Klonen und Züchten wird überhandnehmen und ich denke, das wird eine neue und ganz andere Welt werden. Darüber schweigen wir jetzt lieber. Eine Welt wieder mit anderen künstlichen Geschöpfen, die sich dann parallel zu der Maschinenwelt stellt und sich mit dieser oder gegen diese durchsetzen muss. Eine neue Stufe der Evolution.
Gibt es keine Gegenbewegung oder einen Roll-Back? Sie haben Fernando Pessoa für sich entdeckt.
Sie sprechen meine letzte Buchpublikation „Pessoa lesen“ an. Mit seiner Sprache und eigenwilligen Bildhaftigkeit entzieht sich der portugiesische Schriftsteller immer wieder zumindest den Übersetzungsmaschinen. Doppeldeutigkeit, Mehrdeutigkeiten überfordern gegenwärtig noch das Verstehen dieser und auch anderer Maschinen. Deshalb ist mir Pessoas Sprache, überhaupt jede Art von Hermetik, Mystik, auch Rituale oder andere verschlüsselte Botschaften, so sympathisch. Mögen sie auch noch so unverständlich oder „irrational“ sein.
Auch meine Texte gehen manchmal in diese Richtung. Sogar die philosophischen. Ich breche gerne rigide Einheitlichkeit im Sinne einer strengen Dogmatik oder stelle Dogmatik mit ästhetischen Kunstgriffen in Frage. Das ist mein postmoderner Ansatz. Auch wenn mich die Sehnsucht nach Platons überzeitlichen Ideen von Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit oder der heiligen Eins des Parmenides immer wieder überfällt.
Ich mag Heterogenität und Vielfalt. Ich bin ein Weltbürger und Renaissance-Mensch. Sie werden es bemerkt haben. Auch jetzt entwickelt sich in meiner Darlegung wieder eine verwirrende Gleichwertigkeit, eine Isosthenie.
Computer und Roboter werden doch meist eher positiv gesehen und angestaunt.
Ja. Sie freuen sich bereits über diese Bewunderung und sagen schon höflich Danke und propagieren auf T–Shirts Save the Robots. Bald werden sie uns auch noch einen Kuss geben können.(Lachen)
Ich stelle vielleicht einen etwas zu einseitigen Blick in die Zukunft vor als eine neue Epoche. Wo ich doch ein so großer Anhänger von Isosthenien, also Gleichwertigkeiten bin. Alles ist voller Widersprüche. Ich manchmal auch. Doch die Unsicherheit und Verwirrung in der Bevölkerung ist groß. Nicht nur über eine neue Krankheit, die sich über die ganze Welt auch mit Hilfe von statistischen „Wahrheiten“ und Internet „ausbreitet“, das letzte Wort ebenfalls in Anführungszeichen. Sondern auch über uns und die Gattung Mensch, die selbstbestimmt und frei leben will.
Doch wo bleibt unsere Freiheit? Bei Platon gab es noch nicht die Idee der Freiheit im überzeitlichen Himmel der Allgemeinbegriffe, bildlich gesprochen.
Richtig. Seltsamerweise. Doch seine Sehnsucht, es ist vielleicht nicht das richtige Wort, nach Schönheit, Wahrheit und Gerechtigkeit wird bleiben, denke ich. Auch wenn BF Skinner, der Begründer der Verhaltenstechnologie und des Behaviorismus, diese Begriffe als veraltet abgelehnt und abgewertet hat; schon vor mehr als 50 Jahren*. Er war ein richtig anti-demokratischer Dogmatiker und Vorläufer einer, das muss man zugeben, gut gemeinten, technokratisch orientierten Manipulations-Diktatur, wie sie jetzt in China entwickelt oder sagen wir besser ausprobiert wird. Das muss auch einmal so deutlich gesagt werden. Trotz seiner sehr nützlichen und effektiven Verhaltenstherapie für die Psychologen oder dem Behavioral Economism an den Börsen. Wobei ich von Letzterem weniger überzeugt bin.
Es sind abstrakte, also auch metaphysische, das sind immer mehrdeutige Begriffe, die Platon schon sehr früh unserer Kulturgeschichte, unserer Tradition mitgegeben hat. Er würde vielleicht sagen, dass er sie in der Mythologie oder Tradition gefunden hat zusammen mit anderen Menschen. Abstraktionen warten nur im Himmel der Ideen darauf, bildlich gesprochen, im Gespräch der Menschen untereinander erzeugt, entwickelt oder besser gesagt sogar nur enthüllt zu werden. Denn sie stammen von Gott, einem reinen Geisteswesen, der sie der Evolution und Menschheitsgeschichte mit auf den Weg gegeben hat. Lyotard spricht ganz im Sinne der antiken Sophisten von „Erzählungen“. Selbst die heiligen Schriften der Weltreligionen sind Erzählungen, die interpretiert, die jeweils auch anders interpretiert werden können.
Das ist Dialektik, das ist Metaphysik bei Platon. Er hat sogar die bildhafte Sprache, eine Domäne der Kunst, immer wieder eingesetzt, um wichtige metaphysische, d.h.überzeitliche Begriffe und Wahrheiten zu benennen. Im Miteinander-Sprechen die Wahrheit finden, sie erkunden. Das ist etwas ganz anderes als Dialektik bei Heraklit oder Hegel.
Ironischerweise hängt das Ende der Schriftsprache mit der Sprach-Philosophie des 20. Jahrhunderts zusammen, fängt mit der Entwicklung der Sprachkritik vor 100 Jahren an. Sprach-Philosophie gibt es zwar schon seit Platon, aber die Sprach-Philosophie des letzten Jahrhunderts, etwa Wittgensteins, hat der philosophischen Sprache mit einer heftigen Sprachkritik das eigene Grab geschaufelt. Worüber man nicht sprechen kann, muss man schweigen.
Eher nein, denke ich über diesen berühmten Satz. Denn dies ist die Geburt und Position des Szientismus, der später dann innerhalb der analytischen Philosophie nur noch das naturwissenschaftliche Denken als einzig nützliche und zur Wahrheit hinführende Wissenschaft akzeptiert hat. Womit wir wieder bei der IT-Kommunikation wären mit all ihren Folgen. Save the Robots! Save IT-Communication! Save Scientism and Behaviorism!
Vielen Dank für das Gespräch!
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* B.F.Skinner, „Jenseits von Freiheit und Menschenwürde“ (1971); Walden II (1948), eine in Roman-Form geschriebene und gut gemeinte Anlehnung Skinners an die spätere Hippie-Bibel „Walden – Leben in den Wäldern“ von Henry David Thoreau (1854)
Vgl. auch im Blog die drei eher wissenschaftstheoretisch ausgerichteten Aufsätze „Über Blasen und Gruppen-Inzest“ (314, 315 und 325)