354 Ideen -Tagebuch
10.Dezember 2022
Liebe Blog-Leser und – Leserinnen,
Ich werde damit aufhören, immer wieder nur lange Aufsätze zu schreiben. Es ist vielen Menschen nicht mehr möglich, solche Texte zu verstehen. Also werde ich mich in Zukunft hauptsächlich auf kurze Aphorismen in Tagebuch-Manier beschränken. Nicht zuletzt habe ich schon als 15-Jähriger ein Buch von Kant bereits in die Hände gekriegt, in dem vom Herausgeber nur Kant-Aphorismen zusammengestellt waren. Sie haben mich auf einfache und unkomplizierte Art in die Welt der Philosophie geführt (1).
Vor allem hat mich als junger Mensch in der Pubertät das Thema „Wage es, dich deines Verstandes zu bedienen“ – sapere aude – fasziniert und angespornt zum kritischen Denken. Besser übersetzt lautet dieses berühmte Motto der Aufklärung: Wage es (aude), weise zu sein ( sapientia =Weisheit). Was einen deutlichen Unterschied macht.
Sehr empfehlen kann ich in diesem Zusammenhang auch ein zweites Werk, das ich ebenfalls schon als ein junger Mensch studiert habe: die Pensées, die „Gedanken“ von Blaise Pascal (2). Ein sehr religiöse Mensch, aber noch mehr skeptischer Philosoph und Fach-Mathematiker mit (späterem) Weltruf: Pascalsches Dreieck, Erfinder der Rechenmaschine etc. (17.Jahrhundert ).
Er hat Zeit seines Lebens Gott immer wieder gesucht und ihn gleichwohl immer wieder auch gefunden. Vor allem die Dichotomie Endlichkeit – Unendlichkeit hat ihn Zeit seines Lebens beschäftigt: die Unendlichkeit des Universums, Mikrokosmos und Makrokosmos im Körper, in der Gesellschaft, im Kosmos, der zum Ende hin immer wieder unterwegs seiende Mensch. Auch im Sinne des Existentialismus: woher, wohin, wozu, warum…
Wenn ich schon bei Empfehlungen bin: Eine gute Einführung in die Hauptwerke von Hegel hat Herbert Marcuse geschrieben. Ja, genau der! Man muss nicht an Marcuses politische Visionen geglaubt haben, um sein Hegel-Buch trotzdem nützlich zu finden(3). Bereits im 1.Semester Studium in Saarbrücken bei Karl Otto Apel mit Schwerpunkt Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie musste ich mich mit Hegel beschäftigen. Kein Wort habe ich verstanden. Aber man spricht und diskutiert doch in Deutsch, sagte ich mir. Sie fragen und antworten und verstehen sich scheinbar. Warum nicht ich? Warum bleibt mir alles ein Rätsel?
Diese Erfahrung war für mich gleichwohl Ansporn und nicht Anlass wie für etliche meiner Kommilitonen, die Philosophie zu verlassen. Das intensive und „stockende Lesen“ (wovon ich sehr überzeugt bin) machte es mir später möglich, zahlreiche andere Autoren zu verstehen, die nicht die Komplexität und Neu-Sprachlichkeit von Hegels Büchern von mir verlangten. Selbst Marx war jetzt leichter zu verstehen. Meinen Philosophie-Abschluss habe ich schließlich in Tübingen über Platons Staatsphilosophie und Schopenhauers Musikphilosophie gemacht.
Also: Nicht resignieren und zu früh das Sprachen-Studium (sic!) aufgeben, sondern sich intensiv mit schwierigen Autoren beschäftigen. Dranbleiben. Dann werden die weniger schwierigen Texte ein Leichtes sein.
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1 Kant-Brevier, herausgegeben von Johannes Pfeiffer
2 Blaise Pascal, Gedanken
Übersetzung Wolfgang Rüttenauer
3 Herbert Marcuse, Vernunft und Revolution (1962, zuerst bereits 1941 in den USA erschienen in Englisch)