371 Über Klavierspielen
Hallo Yu Tashiro*
Herzlichen Glückwunsch zu deinem Vorspiel am 8.11.2024 in der Klavierklasse der Stuttgarter Musikhochschule von Prof.Wiek! Du warst von allen, die ich jetzt gehört habe, mit am besten. Fast alle Interpreten wirkten über-angestrengt, die Noten nur ja richtig spielen zu müssen. Also fehlte bei fast allen das Wichtigste: die persönliche und private Note, auf die man als wissender Zuhörer doch mehr achtet als auf richtig oder falsch getroffene Töne.
Das ist die professionelle Problematik: auch schwierige Bravourstücke so zu spielen, dass das Herz nicht vergessen wird. Es wird den meisten Pianisten weiterhin, denke ich, vollkommen unmöglich bleiben, mit Herz, Gefühl und sicherem gestischen Ausdruck „schwierige Musik“, also meist (überflüssige?) Bravourstücke zu vermitteln. Es war bei Dir auch keine bewusst einstudierte Show, sondern die Gestik hat genau so der Musik entsprochen, wie ich sie auch gefühlt habe. Besonders die zwei oder drei letzten Takte Deiner 3 Brahms-Vortrags-Stücke hast Du mit großer Akkuratesse und Sensibilität hingekriegt. Gleiches gilt auch immer für deine Interpretation meiner Musik oder die Begleitung von Frazan Kotwals Konzert-Liedern.
Die Problematik von Bravourstücken ist bekannt, vor allem, wenn man wie gegenwärtig viel zu schnelle Tempi nimmt. Die obszöne Ekstase solcher „Kunst“ erreichen weiterhin nur noch die Werke von Liszt und Chopin. Die „Neue“ Musik des letzten Jahrhunderts schafft das nicht, weil man als Laie einfach die vielen falschen Töne, die gespielt werden dürfen, nicht registriert.
Weiter so!
Reinhold Urmetzer
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*Pianist im Matutina Ensemble Stuttgart anlässlich eines Vortragsabends der Master-Klavierklasse Wiek.
Vgl.auch im Blog mein Liszt-Pamphlet (Nr.367): „Liszt und die Ekstase der musikalischen Abartigkeit“