47 Die Maske
Ich habe davon gesprochen, dass ich von Baudrillards Stil besonders im dritten Band meiner “Ästhetik”/ Musikbuch beeinflusst worden bin. Ich zitiere hier im 2. Kapitel “Öl – Was bleibt uns vom Absoluten?” aus der Abhandlung über die Maske (S.53 ff):
Wenn wir über die Maske nachdenken, stehen wir plötzlich vor einem großen Dilemma: Wir können nicht mehr die Subjekt-Objekt-Trennung aufrecht erhalten. Wir können nicht mehr unterscheiden, ob nicht die Maske selber uns missbraucht, ausnützt für eigensinnige und undurchsichtige Zwecke. Ob sie nicht bereits uns ihren Willen aufgezwungen hat, ob wir uns nicht bereits nach ihrem Willen bewegen, verhalten, sprechen, Worte wie Tanzschritte setzen müssen, auch Texte wie eben diesen konstruieren (der reine Ästhetizismus); ob wir also überhaupt noch Subjekt beim Auswählen wie Tragen der Maske sind.
Anders ausgedrückt: Ob wir nicht unseren Stil, über den wir uns so sorgfältige Gedanken machen, den wir pflegen, auch zelebrieren wie in einem Gottesdienst – nur Gott selber weiß, dass wir bereits zur Gottheit geworden sind, immer nur wir, unser Körper, die Augen, das Gesicht, die schöne Gestalt, von den unteren Körperteilen ganz zu schweigen – , ob wir nicht diesen Stil zu inszenieren gezwungen sind wie ein gelungenes Theaterstück, wenn wir entsprechende Vorbilder in den Medien, den Zeitschriften oder Musik-Videos gefunden haben.
Kritiker behaupten, die Maske und das stilisierte Leben allgemein verberge uns voreinander. Das Umgekehrte scheint mir zutreffender: Die Maske bringt uns näher, macht uns gleich durch die Verkleidung, durch neue Werte der Lebensgestaltung, welche sie uns anbietet: Schönheit, Sinnlichkeit, Kontrolle, Disziplin, eine gewisse faszinierende Steifheit und Würde dann und wann, nicht zuletzt auch neue Formen von rationalem Handeln und pragmatischer Zielorientierung.
Sie bewirkt, dass wir uns gerade durch das Versteckspiel und die Methode, uns selbst und unser Leben, welches doch so voller Angst ist, als Kunstwerk zu definieren, näher kommen und unsere geheimen Wünsche wie Sorgen auf neue Art offen legen. Dazu muss man klug und gebildet sein, nicht wahr, und die neuen Zeichen auch zu deuten wissen, damit wir auf diese Art nicht zuletzt auch Wünsche erfahren, die bis in den Bereich der Sexualität gehen mögen.
Offenbare deinen Stil ( nicht die Gesetze oder Strukturmerkmale deines Stils, sie interessieren uns weniger als das Ergebnis!), und ich sage dir, wer du bist. Du stilisierst dich, also bist du – s t i l i s o , e r g o s u m .