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Ob es einen Unterschied zwischen dogmatisch und dogmatisiert gibt
Ja.- ich will es zuerst an einem Beispiel erläutern. Hellenisch waren die Stammvölker Griechenlands, also die Athener, die Spartaner etc. Hellenisiert waren die später von den Hellenen zusätzlich eroberten
weiteren Völker des Mittelmeerraumes. Römisch waren die Römer, romanisiert wurden die Gallier, Angelsachsen etc.
Hellenisch, römisch, dogmatisch ist also ein Zustand, der schon länger existiert. Hellenisiert ist ein neuer Zustand, der jedoch nicht aktiv erworben, sondern eher passiv erlitten wird, ertragen werden muss.
Dogmatisiert bedeutet manchmal deshalb sogar eine auferzwungene Meinung oder Wahrheit.
Wahrheit als Dogma stützt sich immerhin, so umstritten sie auch sein mag, auf eine Autorität, vielleicht auch der Tradition, der Vergangenheit, der Weisheit, die sich bewährt hat. Dogmatisiert bedeutet in meinem Denken eher, dass ein Zustand im Finden der Wahrheit noch nicht abgeschlossen ist, dass es (noch) keine Autorität gibt, die diese Wahrheit stützt und festigt.
Das Dogma erhebt dergestalt Anspruch auf (Glaubens)Wahrheit. Die Dogmatik ist die Lehre dieser Wahrheit, welche sie vermitteln, verbreiten, verteidigen will.
Jetzt kommt auch der Faktor Macht, Gewalt, Deutungshoheit ins Spiel. Wenn diese Menschen ihre Meinung oder Lehre schließlich dogmatisieren, ist oft alles verloren : der freie Meinungsaustausch, die Diskussion, Skepsis, Infragestellung. Dies alles wird in einem Endstadium schließlich mit Gewalt verhindert.
Da sich mittlerweile aber überall in der Zwischenzeit notwendigerweise Isosthenien gebildet haben, sind die Tage des Dogmas und der Dogmatiker gezählt. Trotz Krieg, Kampf und Macht (Geld) läuft ihre Zeit ab. “Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommst schon der Tag, dann kommt schon der Tag”, sagt Bert Brecht in seinem Lied von der Moldau.
Ein neues Dogma hat sich nämlich erfolgreich gebildet und der Kreislauf beginnt von Neuem.
Gibt es überzeitliche Wahrheiten, die ohne Dogmatisierung bestehen können? Selbst die Platonischen Ideen haben als philosophisches System nicht überlebt. Schon Aristoteles, Schüler von Platon, hat sie teilweise in Frage gestellt.