76 Catull (5)
Nr. 48 und Nr.15
Iuventius war der jugendliche Geliebte von Catull. Vielleicht haben sich mittlerweile Platons Mahnungen, was die Knabenliebe betrifft, auch in Rom durchgesetzt. Aber sogar Cicero hatte noch in einer gewissen Zeitspanne Sorge um seinen Sohn, wie in den Atticus-Briefen zu lesen ist.
Immerhin mahnt Catull seinen Freund Aurelius, mit dem er in einem Haus wohnt, Iuventius in Ruhe zu lassen. Augenscheinlich war diese Sorge berechtigt. Jedenfalls spricht eine starke Angst aus dem Text.
Im Gedicht 24 hat Iuventius dann seinen unglücklichen Liebhaber verlassen.
Die Trennung von seinem Geliebten (dieser hatte sich einem anderen zugewandt) wird bei Catull wieder Anlass zu wilder Wut (die Bestrafung sollte wie bei Ehebruch der Zeit entsprechend mit Rettich bzw. Fisch erfolgen) sowie zu zahlreichen Herz-Schmerz-Ergüssen des Poeten. Die letzten beiden Zeilen sind für uns heute befremdlich und obszön. Ich habe sie dennoch gelassen.
Viele Verhaltensweisen von früher sind mittlerweile geächtet. Sie haben sich überlebt, quasi wie Müll aus einer anderen Zeit, Kultur, einem anderen Denken, das nicht verallgemeinerbar war. Knabenliebe, Sklaveneigentum, Folter, Todesstrafe, Steinigung, Kreuzigung mit Strick oder Nägeln, Missbrauch der Frau in der Ehe etc. stehen auf dem Index, sofern wir uns zu einer Weltkultur und einem internationalen Rechtssystem weiter entwickeln, das heißt weiter öffnen wollen.
Nr.48
Ach Iuventus, deine süßen Augen,
Wär’s gestattet, sie immerfort zu küssen,
Viele tausendmal würde ich sie küssen,
Würde niemals genügend davon haben,
Auch wenn dichter als reife Sommer-Ähren
Stände unserer Liebes-Küsse Saatfeld.
Nr.15
Ich empfehle dir mich und meinen Liebsten, Aurelius.
Diese Gunst erbitt’ ich:
falls dir je ein Besitz von Herzen lieb war,
den du unberührt rein zu haben wünschtest,
dann bewahr mir züchtig diesen Knaben,
nicht vor’m Volk etwa, denn ich fürchte nicht die,
die auf Gassen und Straßen eilen, in den
Köpfen eigene Angelegenheiten.
Nein, bewahr’ ihn vor dir und deinem – du weißt schon was,
der die Guten nicht schont und nicht die Schlechten.
Wo und wie du es willst, kannst du ihn schwenken,
und wie oft du es willst, nur nicht im Hause!
Diesen einen nimm aus, ich bitt, in Ehren!
Wenn dich Torheit und Wahnsinn treiben sollten,
Frevlen Sinnes in solche Schuld zu fallen,
mich mit listiger Tücke so zu reizen,
oh, dann wird es dir recht übel ergehen:
Denn, die Beine gespreizt, im offenen
Loch wirst du Rettich und Fisch verspüren.