Die Abgrenzung von Liebe, Freundschaft und sexuellem Begehren unter Männern fällt auch heute noch schwer. Die Männerbewegung der 80er Jahre, eine Antwort auf Alice Schwarzers heftige Feminismus-Attacken, hat dieses Thema sehr ausführlich untersucht und erforscht. Dass eine Liebesbegegnung unter Männern, auch die Verliebung, nicht notwendig im sexuellen Kontakt enden und vor allem das andere Geschlecht ausgrenzen muss. Dass es solche Begegnungen zahlreich in der Weltkultur und Weltliteratur gegeben hat und dass sie alle nicht notwendig dem biografischen Lebensweg von Oscar Wilde entsprechen mussten, im Gegenteil.
Die Sturm-und-Drang-Begegnung von Schiller und Goethe – war sie nicht Liebe? Die Beschreibung des “süßen Kirschmundes” von Achim von Arnim – war da bei den hypersensiblen Romantikern wie Clemens von Brentano keine Erotik im Spiel? – Rimbaud war wohl derjenige, der sich um 1871 erstmals direkt zum “süßen Leib” seines Liebhabers bekannt und darüber geschrieben hatte. Eine revolutionäre Ausnahme.
Nun hat die Schwulen-Bewegung, die sich in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erst gebildet hat, als eine der vielen Emanzipationsbewegungen der Zeit all diese Formen von Kompensation, Sublimation, Verdrängung (sic!), freudianisch gesprochen, als verklemmte Sexualität in Frage gestellt. Freud wurde dabei einseitig interpretiert mit dem Ergebnis, dass von der Männerbewegung nichts mehr übrig geblieben ist außer den Macho-und Sexismusdebatten oder Randgruppen wie der von den Frauen ungläubig als Exoticum bestaunte “wilde Mann am Lagerfeuer”, der sich damals schon den Bart hat wachsen lassen wie die Juden und Muslime und die Jugend der Gegenwart (Entschuldigung).
Überlebt hat nur ein implodiertes Männlichkeits-Bild, das Männer wie Frauen ratlos werden lässt und eine große Desorientierung hinterlassen hat. Wann ist denn Mann ein Mann?
Die Begegnung, auch Beziehung der Männer unter einem anderen Vorzeichen als dem von Sexismus, Muskelmasse und Hahnenkampf-Rivalität (mittlerweile kommt auch noch ein gestyltes Outfit hinzu, also Haare gelen!) ist m.E. gescheitert. Die Schwulenbewegung hat die Männerbewegung mittlerweile ganz für sich vereinnahmt und, ob sie es will oder nicht, eliminiert. Damit meine ich, dass sich der Gegensatz Homophilie und Heterophilie immer mehr verfestigt. Das bedeutet auch: sich abgrenzt, verständnislos gegenüber steht, ja fast schon wieder bekämpft und mit Schlagworten mundtot machen will (“Homophobie”, “Widernatürliches Verhalten”). Je heftiger sich die neue Homosexuellen-Furcht, die Homosexuellen-Hatz ausbreitet, um so wütender wird auf der anderen Seite Freiheit für alle und alles eingefordert. Auch in sexuellen Dingen hat sich ein Dogmatismus breit gemacht, der auf beiden Seiten stark an Fanatismus und Ideologie grenzt. Mit schlimmen Kollateralschäden, was die Begegnung der Geschlechter untereinander betrifft.
Darüber kann auch keine noch so großartig gespielte Liberalität mit CSD-Fahnen vor dem Stuttgarter Rathaus oder Finanzministerium am Schlossplatz hinwegtäuschen.
Jede Männer-Freundschaft wird weiterhin misstrauisch beäugt. Dass man sich wie die Frauen umarmt und küsst und gern hat, sich auf- und übereinander freut (diese Formulierung steht jetzt hier wirklich ganz ohne ironische Doppeldeutigkeit!) – das ist immer noch ein Ding der Unmöglichkeit.
Catulls Gedicht Nr. 9 zeigt einen Weg zur Freundschaft, der ganz jenseits des Begehrens auch im breit gefächerten römischen Liebesleben möglich war.
Nr. 9
Mein Veranius, aller meiner Freunde von den Hunderten mir immer der Allerliebste, bist du wieder im väterlichen Hause, bei den Brüdern und deiner alten Mutter? Du kamst! Glückliche, freudevolle Kunde! Sehen kann ich gesund dich, kann dich hören schildern Spaniens Städte, Taten, Stämme, wie du’s liebst; und dabei am Halse hängend darf ich Mund dir und liebe Augen küssen. Viele glückliche Menschen mag es geben: wer ist glücklicher jetzt als ich und froher ?
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