79 Catull (7)
Nr. 11, 28 und 31
In den drei nachfolgenden Gedichten geht es um die “Auslandseinsätze” der jungen Oberschicht-Männer Roms. Denn dies war eine staatsbürgerliche Pflicht und Ehre. Ganz gleich ob in kriegerischem oder friedlichem Auftrag – man musste sich der ungeliebten Aufgabe stellen im Namen des Staatsschutzes und der Verwaltung. Dass dabei die Rechtsprechung außer Kraft gesetzt und man der willkürlichen Militärgerichtsbarkeit unterworfen war, versteht sich von selbst (siehe Guantanamo heute noch). Man musste mit kommen, zu Pferde oder von Sklaven getragen in einer Sänfte, wenn das Schiff nicht benutzt werden konnte.
Das erste Gedicht schildert noch die Nachwehen Catulls über den Verlust seiner Geliebten. Angesprochen werden die beiden Hausgenossen Aurel und Furius, es wird das große römische Reich geschildert, Catulls Sehnsucht nach der Ferne, weit weg von Rom, und dass selbst jetzt ihn die Freunde nicht im Stich lassen werden und mit in die weite Welt ziehen würden.
Diese Welt war tatsächlich ein Riesenreich: Von Indien über Ägypten, Arabien, das Kaspische und Schwarze Meer, Britannien, Germanien, Gallien, Spanien – einige dieser Reiche werden im Gedicht angeführt und sie unterstreichen beeindruckend die Weltkultur und Weltmacht Roms.
Aber dieser Freundschaftsdienst wird gleichwohl überschattet von der Erinnerung an die Geliebte, die jetzt in den Armen zahlreicher anderer liegen wird (mit den Zahlen und ihrer Wahrheit ging man in der Antike auch nicht so zimperlich um) und keinen Gedanken mehr verschwenden wird an die “zarte Blüte” der Verliebtheit, die “starb unterm Pflug”.
Nr. 11
Hört, Aurel und Furius, die ihr mitkämt mit Catull,
ging’s auch zu den fernen Indern,
wo das Meer des Ostens
die Küste weithin brausend umbrandet,
zu den schlaffen Arabern, den Parthern mit ihren Pfeilen,
zum Nil, der siebenarmig färbt die Meerflut
(…)
Oder die hohen Alpen zu überschreiten,
wo der große Cäsar sich schuf sein Denkmal,
fern in Gallien der Rhein, die schaurige Nordsee,
und am Weltenrand die Britanner –
All dies, wenn der Götter Wille es mir gebietet,
seid Ihr ja bereit, mit mir zu tragen,
kündigt meinem Mädchen drum wenige Worte,
ob sie auch bitter:
Mag sie glücklich leben mit ihren Buhlen,
die sie gleich zu Hunderten jetzt im Arm hält,
keinen wirklich liebt und in gleicher Weise alle zerrüttet;
nicht wie früher soll sie auf meine Liebe hoffen,
die geknickt ist durch Ihr Verschulden
wie am Saum der Wiese die zarte Blüte
starb unterm Pflug.
Nr. 28
Das Gedicht Nr.28 gibt einen Einblick in das einjährige Leben im Dienst eines Statthalters (Praetors) in einer fernen Provinz. Catull hat dieses Leben in Bithynien (heute nördliche Türkei) unter Memmius erdulden müssen. Die beiden angesprochenen Freunde Veranius und Fabullus sind zusammen mit dem Praetor Piso gerade wieder nach Rom zurückgekehrt. In beiden Fällen einer Pflicht-Begleitung kam es nicht zu einem erhofften Geldsegen, obwohl Bereicherungen in den Provinzen des Reiches das Übliche waren.
Der Zeit entsprechend mussten bei solchen Auslandsdiensten immer einige junge Leute der Oberschicht “zur Ausbildung” mit dabei sein, ob sie es wollten oder nicht. Dass es dabei hart zur Sache ging, wird im Text deutlich. Ähnlich wird es auch im Lagerleben der Soldaten zugegangen sein – wir sind in einer Männerwelt, in welcher Frauen oft nur als Gebärmaschinen oder Sexsklavinnen etwas zu suchen hatten.
Ihr, Gefolge des Piso, habt ja leere
Hände, leichtes Gepäck, bequem zu tragen,
mein Veranius und mein Freund Fabullus!
Was denn bringt ihr nach Hause? – Habt ihr mit diesem
Nichtsnutz Hunger und Frost genug gelitten?
Habt ihr einen Profit in eurem Beutel
stehen oder Verlust, wie ich bei meinem
Praetor, wo ich nur drauf bezahlen durfte?
(Schandkerl Memmius, mit dem ganzen Penis
hast gehörig und schamlos mich geschunden!)
Doch ich sehe schon, ihr wart in der gleichen
Lage: kleiner war nicht der Schwanz, der euch ganz
durchgeschunden hat. –
Hoch geborene Praetoren-Freunde aus Verwaltung und Politik! –
Euch, des römischen Volkes Scheißkerle,
mögen alle Götter mit ganz viel Unglück bestrafen!
*
Nr.31
Mein Sirmione, Juwel du aller Halbinseln
und Inseln, die in klaren Seen und im Raume
des weiten Meeres Neptunus trägt, der Herr beider.
Wie gern, ach! und wie fröhlich schau ich dich wieder!
Verließ ich Thyniens und Bithyniens Land wirklich
und seh’ in Ruhe dich? Kann’s kaum mir selbst glauben.
O was gibt’s Schöneres als, der Sorgenpein ledig,
sich frei zu fühlen, wenn das Herz die Last abwälzt und
reisemüde wir in unser Haus kommen
und im ersehnten Bette wieder ruhen können!
Das ist der einz’ge Lohn jetzt für so viel Mühsal.
Mein liebliches Sirmione, sei mir gegrüßt! Freu dich des
Herrn, freut euch auch ihr, des Gardasees Wellen,
Ihr frohen Geister im Haus alle, lacht,
so sehr zu lachen euch möglich ist!
Eine richtige Befreiung bedeutet für Catull die Rückkehr in seine Heimatstadt Sirmione am heutigen Gardasee. Ein schönes Gedicht, das Lust macht auf Ferien und Urlaub.- –
Wie auch bei mir, der ich mich von Euch jetzt einige Zeit lang verabschieden werde. Nur noch einen Catull-Text werde ich mir vornehmen als Übergang zu einer anderen Tonart. In der Zwischenzeit könnt ihr mir folgen über Twitter an die gallischen Gestade bei Brugis Flandorum oder Neoportus in Gallia Belgica und Ostende und in die Sturmfluten des britannischen Meeres. Wo die Römer glaubten, hier und jetzt beginnt der Orkus, die Unterwelt, wohin sich doch Caesar, unser großer Held, siegreich hinein gewagt hat! Grund genug, ihn zum Alleinherrscher über das weite Reich auszurufen. – Wer nicht dafür war, der Republikaner Cicero zum Beispiel, bezahlte dafür mit dem Leben. Auch nach Caesars Tod.