108 Musik (Gedicht)
Musik
Mächtig
schallen aus den
Ruinen der Kathedralen
und wehmütig die letzten
Klänge der
Glocken
In dunklen Höhlen am
Meer spiegeln sie sich
weiter noch einmal, so
scheint es, verliebt in ihren
entfernten
Klang
Dieses Gedicht habe ich geschrieben gegen Ende der Abfassung meines Buches “Landschaft mit Martyrium der heiligen Katharina“, Kapitel XIV. Die Pilger-Gruppe ist auf dem Mons Gaudii im spanischen Santiago de Compostela angekommen und ich war mir so unschlüssig, wie ich das Buch enden lassen sollte. Extrem unruhig, hin und her gerissen, regelrecht verzweifelt einige Tage lang wusste ich kein Ende zu finden: Soll die Kathedrale, die ich schon in ihrer machtvollen Größe kennengelernt hatte, soll sie da vor uns stehen oder ist sie nur noch eine Ruine, wie auch das Gespräch, der Begegnungs-Versuch meiner beiden Protagonisten im Buch ein ruinöses Scheitern war – sie konnten nicht zueinander finden. Deshalb die “Ruinen der Kathedralen”, deshalb die Wehmut und die Flucht ans Meer, das sich nicht weit von Santiago entfernt beim Kap Finisterre befindet.
Doch im Buch bin ich schließlich geschrieben worden: Die Kathedrale als Sinnbild für ein erreichbares Ziel, für Gott, Liebe, Sinn und vielleicht sogar für das Gute schlechthin, sie steht da vor uns, immer noch und prächtiger als je zuvor! Und auch die Pilgerschaft nach Santiago hat einen solchen Aufschwung genommen, wie ich es mir damals, vor langen Jahren, als ich dort gerade nicht als Pilger unterwegs war, nie hätte vorstellen können.
Nebenbei: die hl.Katharina ist die Schutzheilige der Philosophen (Katharina mit dem Rad) und in Castrogeriz begegnen wir ihr auf dem Jakobsweg. In meinem Buch heißt es jedoch (S.81):
… Der Jakobsweg führt hier durch einen hohen Bogen hindurch. Überall nur Öde, Verlassenheit und Trümmer. Eine verwitterte Skulptur macht uns auf das Martyrium der hl.Katharina aufmerksam, vielleicht das Martyrium einer jeden Frau, die sich in die Landschaft von Leere, Abstraktion, Kälte und Verlassenheit (ist es die Landschaft des Mannes?) hinein wagt und dort nur Trümmer oder Ruinen vorfindet. Keine Menschenseele, noch nicht einmal das Tier, das gezähmt, besiegt, bezwungen, gefesselt oder geschlagen sein will – der Mann als neuer Sklave der Frau, die Frau als siegreiche Herrin über den Mann, der Mann als Sklave und Opfer des Mannes und seines Geschlechts” (im Zeitalter des Feminismus, muss ich im Jahr 2014 jetzt hinzu fügen. Der Feminismus ist mittlerweile wie alle -Ismen ebenfalls an einem Ende, einer Erschöpfung und Auszehrung angekommen. Auch viele Frauen werden sich dessen immer mehr bewusst).