110 Transparenz
Antwort
Ich will euch einen Einblick geben in den Einblick, den ich in euch habe. Auch das machen unsre wunderbaren Computer und Überwachungsmaschinen möglich.
Ich beginne meine morgendliche Denkarbeit nach dem Frühstück, so gegen 9 h, mit dem Aufsuchen der Statistik-Seite im Blog. Ich erfreue mich daran, mit
welchen Suchmaschinen man mich gefunden hat – sie kommen mittlerweile schon aus der Schweiz, Österreich und Italien. Dieses Kästchen heißt bei WordPress „Referrers“.
Dann studiere ich die Begriffe, nach denen man am Tag vorher im Blog gesucht hat – sogar “Porno in Weißenburg”(mit SZ geschrieben!) war schon darunter („Search Engine Terms“).
Schließlich und am liebsten öffne ich dann das Kästchen, wo meine Aufsätze, die direkt und gezielt angeklickt worden sind (also nicht nur über das Suchen und Blättern im Blog zufällig gefunden wurden), genau registriert werden mit Überschrift („Top Posts & Pages“). Ich schlage die meisten davon noch einmal nach, lese, verbessere ein wenig und freue mich daran, dass es doch ein so großes und breites Interessen-Spektrum unter meinen Lesern gibt. Die ganz frühen Texte finden einen ebenso großen Zuspruch wie die aktuellen, auf die man naturgemäß besonders neugierig ist.
Dann betrachte ich die statistischen Grafik-Balken, die mir auf einen Blick zeigen, wie viele Besucher es gestern oder die letzten Tage/Monate/Jahre (!)gegeben hat („Views“) und, wiederum jetzt als Grafik, aus welchen Ländern diese Besucher gekommen sind. Englischsprachige Autoren können nachlesen, ob ihr Blog in Indien, USA, England, Südafrika oder sogar in Australien gelesen worden ist. Mein Blog soll übrigens auch ins Englische übersetzt werden. Eine Amerikanerin von der ISS hat leider schon aufgegeben, weil es ihr zu schwierig war. Danke Frau Konuma für den Vermittlungs-Versuch!
Es freut mich wiederum sehr, dass die Anzahl der Leser wächst auch unabhängig vom Weiterleiten meiner Texte auf andere Websites wie z.B. Reddit. Nur trauen sich die Wenigsten noch, sich einzuschreiben als Follower (unter Beitrags-Feed RSS rechts unten). Ich kenne dann zwar eure Namen. Aber ich belohne euch auch mit gelegentlich direkten Nachrichten, Einladungen oder Kontakten selbst persönlicher Art, wenn ihr nicht zu weit entfernt wohnt. (Achtung Bestechung!)
Dann gehe ich an die Arbeit, schreibe, denke, grübele und fantasiere so bis gegen 13 Uhr einschließlich zweitem Frühstück wie die Bauarbeiter. Mittagessen, familiäre Pflichten, Einkäufe, delirierende Spaziergänge im Rosenstein-Park oder ein Treffen im Café runden den Nachmittag ab. Gelegentlich werfe ich auch gegen Abend und in der Nacht noch einmal einen Blick auf meine Arbeit, die einige Tage ruhen muss, auch immer wieder durchgelesen, korrigiert wird, bevor ich sie veröffentliche. Gelegentlich, wenn ich mir sehr unsicher bin, gibt es auch ein Gegenlesen durch eine Verlags-Mitarbeiterin.
Am nächsten Morgen schließlich studiere ich das neu Geschriebene zuerst noch einmal – und dann ab in die weite Welt des Unbekannten, Neuen und Faszinierenden, was man mit Hilfe der Technik doch mittlerweile alles zustande bringen kann. Finde ich Thematik und Sprache für die Allgemeinheit nützlich, das heißt es wird nicht nur einige wenige Leute interessieren, dann schreibe ich noch schnell einen Tweet auf Twitter und das wär‘s dann auch.
Ermöglicht und eingerichtet hat mit das alles Alexey Chibakov von der edition weissenburg, der mir auch mit Rat und Tat immer wieder zur Seite steht. Danke Alexey!
Wie weiland Oblomov in St. Petersburg werde ich in der Zwischenzeit auch wieder sehr viel schwarzen Tee mit Milch und Zucker getrunken haben, ohne jedoch gleichwohl ein Opfer der Oblomoverie geworden zu sein, einer typischen Form von Lebenslangeweile, die diesen unglücklichen russischen Zeitgenossen im Buch von 1859 so bekannt gemacht hat.
So bekannt, dass man sogar eine Jugendkneipe in der Nähe meiner Wohnung danach benannt hat, ohne dass auch nur die Wenigsten darüber Bescheid wüssten, was denn dieser Begriff überhaupt zu bedeuten habe.
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Ich will noch das Wort „Antwort“ an dieser Stelle erklären, wenn wir schon bei den Interna sind. „Antwort“ in der Überschrift eines Blog-Beitrags bedeutet immer, dass ich mich auf ein Thema, eine Frage, einen Begriff, der im Blog kurz zuvor, das heißt meist am Tag vorher aufgetaucht ist, direkt beziehe. Dass ich also konkret werde, konkret im Sinne einer Lebenspraxis, was richtig, was falsch sein könnte, dass ich Stellung beziehe (auch das gibt es bei mir, ob ihr‘s glaubt oder nicht!) und dass ich auch ja oder nein zu sagen imstande bin.
Ich habe mittlerweile über 100 Kapitel der unterschiedlichsten Art und Thematik in den Blog gestellt und die Übersicht geht selbst mir allmählich verloren. Wir diskutieren im Verlag, ob es nicht jetzt an der Zeit wäre, ein Buch als Sammlung der Texte zu veröffentlichen und dann wieder neu anzufangen. In diesem zweiten Band meiner Blogaufzeichnungen, wieder im Sinne und Stil Montaignes, wird es dann mehr um Verzicht, Verantwortung, Askese und weniger um Lust oder Befreiung gehen.
Ihr wollt nicht einseitig von mir indoktriniert werden, nicht wahr. Ich kenne diese eure Haltung und eure Kommentare dazu und ich lehne auch jegliche Verantwortung für eine Lebensgestaltung oder die Spurung eines Lebensweges ab, wie ihr wisst. Macht was ihr wollt. Aber verschont mich bei euren Experimenten! Ich werde verschwunden sein.
Das Thema „Lust“ habe ich zum Beginn dieses meines Schreib-Abenteuers gewählt (es ist für mich, der ich nur das Zeitungs-Schreiben gewöhnt war, eine ganz neue Erfahrung!), weil es gegenwärtig einen so starken Roll-Back in der Sexualmoral gibt (insbesondere was die Homosexualität betrifft) und weil uns auch der bald schon totalitäre Ökonomismus der Zeit fast gar keine Muße mehr lässt zum genussvollen Leben in Freude und Wohlstand, wie es uns doch so vorbildlich manchmal in der Antike vorgelebt worden ist. Ich bin ein Römer, habe ich schon zu Beginn dieser meiner fortschrittlichen Unternehmung geschrieben (Nr.2 im Blog). Jetzt aber mehr im Sinne der stoischen Schule und des Kynismus.
Im geplanten Buch über den ersten Blog wird wohl dessen chaotische Themenvielfalt mitsamt dem Kreuz-und-quer-Springen bzw. dem Kreuz-und-quer-Denken meinerseits beibehalten werden. „Über Verführung“, so wird der Titel heißen. Das „über“ entnehme ich wieder wie immer meinen antiken Vorbildern.
Also: Lasst euch nicht verführen! Auch nicht von Liebe und Lust. Dieses mein neues Buch wird wohl recht bald und früher noch als die Blog-Sammlung erscheinen.
Zum Schluss will ich euch alle noch sehr freundlich von hier aus mit einem Leitspruch, der mir gerade eingefallen ist, grüßen: Wie schwer es ist mit der Lust (seufz), und wie leicht ist es doch mit der Liebe!
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91: Inhaltsverzeichnis 110-1
109: Bücher von Reinhold Urmetzer