137 Über Popmusik 4 (Amy Macdonald)
Groß-Britannien ist tatsächlich vielleicht eines der unglücklichsten Länder Europas. So hat es zumindest Kardinal Kasper beim letzten Besuch 2010 von Papst Benedikt XVI. auf der Insel dargestellt.
Es gibt Gründe dafür. Der Untergang des britischen Weltreiches (The British Empire) ist noch nicht lange abgeschlossen und hat eine große Wunde im Selbstwertgefühl der Briten hinterlassen. Ähnlich den Portugiesen, deren latente Melancholie (Fado-Musik) bis in die Gegenwart hinein immer noch mit dem Untergang des Weltreiches im 16. Jahrhundert in Zusammenhang gebracht wird.
Dann hat Britannien nach dem 2.Weltkrieg keinen solchen Innovationsschub erhalten wie Deutschland. Es musste den Zusammenbruch der Steinkohle-und Schwerindustrie ebenfalls überstehen. Auch die sich nach dem 2.Weltkrieg entwickelnde und fast wie in der Schweiz prosperierende Finanzindustrie wurde durch die von Amerika ausgehende internationale Finanzkrise in den letzten Jahren ebenfalls wieder schwer getroffen.
Nicht zuletzt sind auch die Klassengegensätze zwischen Oben und Unten immer noch besonders ausgeprägt. Die Aristokratie erstarrt in pompös-selbstgefälligen Theater-Inszenierungen, der Mann auf der Straße bleibt ohne Geld, Arbeit und Sinn.
All dies drückt sich besonders stark in der Rockmusik aus, deren oft gutes, manchmal sogar übersteigertes textliches Niveau dank der Shazam-App ich in letzter Zeit immer wieder habe studieren und bewundern können.
Sie ist durchaus nicht mehr reine Volksverdummung, wie die linken Dogmatiker der Frankfurter Schule behauptet haben, allen voran Theodor W.Adorno oder Herbert Marcuse. Im Gegenteil. Ich denke, unter dem Einfluss von John Lennon und Bob Dylan hat sich in dieser Musikrichtung, die vielleicht an die Zeit von John Dowland nahtlos wieder anzuknüpfen vermag, ein künstlerisches Niveau samt politischem oder auch poetischem Realismus entwickelt, das viele kontinentaleuropäische Strömungen wie „Neue Musik“, Atonalität, experimenteller Avantgardismus oder auch den weiter um sich greifenden Historismus in der Opernkultur deutlich in den Schatten zu stellen vermag.
Wenn Kunst ein Leben spiegelt, wie es ist, sein sollte, sein könnte oder auch ein solches Leben diskutiert, dann ist Rockmusik durchaus Kunst, die nicht nur über das Tanzen den Körper, sondern über viele ihrer Texte auch den Geist und die Seele, vor allem auch das Gefühl anspricht. Was man von der akademischen Musiklehre meist nicht sagen kann. Selbst wenn uns bei der Analyse einer Stockhausen-Komposition der mathematische Kopf brummt.
Um auf meinen letzten Beitrag im Blog über Solipsismus zurück zu kommen: Amy Macdonald beschreibt eindringlich in ihrem Hitsong „Mr. Rock and Roll“ – ich greife wieder rein zufällig dieses Lied heraus aus meiner Sammlung – das Alleinsein, auch Allein-Bleiben-Wollen der neuzeitlichen Solipsisten unserer Zeit.
Und dass diese Zuspät-Gekommenen gerade das verpasst haben, nach dem sie ihr ganzes Leben lang vergeblich gesucht haben – den Sinn nämlich zu finden, warum es sich lohnt, dieses Leben zu leben, zu lieben. Beispielsweise indem wir ein Wir, ein Du finden können, mit dem zu leben es sich lohnt, wie ich glaube.