1 Über Verführung
Ave atque vale!
Herzlich Willkommen in meinem neuen Blog, den mir Alexey Chibakov für die edition weissenburg eingerichtet hat! Andrew Walsh hat sich an die schwierige Übersetzungsarbeit ins Englische gemacht. Vielen herzlichen Dank dafür, Andrew!
“Über Verführung” lautet der Titel des Blogs, und Jean Baudrillards ironisches Motto “Lasst euch nicht verführen!” wird uns durch diese neuartige Kulturgeschichte der Zeit begleiten. Viele Gebiete des Denkens werden wir besuchen, kreuz und quer springen von der Philosophie zur Kunst, der Geschichte zur Psychologie, von der Soziologie zur Politik. Ich selbst stehe in der Tradition der Frankfurter Schule mit Karl Otto Apel, bei dem ich vier Jahre lang in Saarbrücken studiert habe, und Jürgen Habermas als meinen Mentoren.
Aber auch die französischen Philosophen, insbesondere Jacques Derrida, Jean Baudrillard und Francois Lyotard haben mich vielleicht maßgeblicher noch inspiriert. Nicht zuletzt beziehe ich mich auch besonders gerne auf das Leben und die Gedanken der spät-hellenistischen und römischen Antike. Dort ist Sextus Empiricus mein Vorbild. – Jetzt wisst ihr Bescheid, wie ihr mich einordnen könnt, nicht wahr, auch wenn ich immer wieder gerne aus euren Schubladen herausspringen werde. Lasst euch also überraschen, es kommt einiges auf euch zu!
Ich will diese Art Kommunikation, diese für mich als Zeitungs- und Buchschreiber neue Art von Begegnung, vielleicht auch von Beziehung starten mit dem Thema Sexualität. Mein neues Buch, an dem ich schon ein halbes Jahr lang arbeite, heißt “Über Liebe und Lust“. Es geht um die Sexualität der Zukunft, weniger der Gegenwart oder Vergangenheit aus der Sicht von Mann und Frau. Es wird also auch um Beziehung, Begegnung gehen und ob die Familie als gesellschaftliche Institution überleben wird, zumindest in unserem westlich-abendländischen Kulturkreis.
Ich glaube eher nein.
Doch wie sollen wir hier und jetzt in diesem neuen Medium kommunizieren, wie soll geschrieben werden? Wie soll das Ganze ablaufen? Jeder wie er will und kann? Ohne oder mit einer gestalteten Sprache? – Es stellt sich mir auch das Problem von Anonymität und Transparenz. Ich habe nichts zu verschweigen und wir sollten auch nichts zu verschweigen haben. Wie wollen wir in einen direkten Kontakt treten können, wenn kein Name genannt wird und wir uns voreinander verstecken?
Schon Hegel hat in seiner Rechtsphilosophie eine Abhandlung über die Notwendigkeit einer Unterschrift (etwa unter Verträge) eingefügt. Ohne Unterschrift kein Subjekt, kein Ich, kein Mensch. Nur noch leblose Maschinen. Kommunikationsmaschinen, die schließlich ganz von Computern ersetzt werden, zumal diese mittlerweile auch das Sprechen gelernt haben.
Wir sind damit schon bei einem weiteren Thema, das ich bald ansprechen werde: Kommunikation, Miss- und Meta-Kommunikation mittels elektronischer Medien. Vielleicht sollte ich mein Buch -Thema auch damit verbinden: Über Liebe und Sex im Zeichen von SMS ( nicht von SM. Das ist ja wohl mittlerweile hoffnungslos veraltet!).
Es wird im Blog unterschiedliche Schwerpunkte (Kategorien) geben. “Allgemein” steht für die Weiterführung meiner Twitter-Einträge, besser gesagt meiner früheren TwitLonger-Texte. “Literatur” wird sich vorläufig mit meinem neuen Buch beschäftigen, vielleicht auch mit meinen schon veröffentlichten Publikationen. In der Kategorie “Journalismus” werden meine Interviews vorgestellt, auch die älteren illustren Zeitungstexte etwa für die Berliner “tageszeitung” und andere. Das Kapitel “Lyrik” schließlich wird Gedichte von mir und anderen enthalten. Nicht zuletzt arbeite ich auch als Musiker und Komponist (mein schönstes Hobby überhaupt!).
Doch warten wir ab. Ich muss das alles noch kennenlernen, testen, ausprobieren. Vielleicht bleibe ich schließlich doch lieber bei meinen TwitLonger-Einträgen und dem gedruckten Buch oder meinen illustren Performance-Vorträgen, über die ich an dieser Stelle dann auch berichten werde einschließlich den Reaktionen von Zeitungen und Zeitgenossen.
Doch dies ist erst ein Beginn; unser Beginn.
Wenn mir das Veröffentlichen per Click jetzt auch noch gelingt ohne fremde Hilfe durch den Administrator, dann steht die Spurung, die das “Auslöschen der Spuren” verhindern oder fördern wird, oder besser noch: die “Spur, die das Auslöschen der Spur spurt” oder auch nicht, bereit. –
Was für eine schreckliche Sprache und Formulierung, werden jetzt einige wieder einwenden wollen. Damit sollen Leser, Mitdenker, Kommentatoren gewonnen werden? Man weiß, als Saar-Franzose, wie mich manche unserer rechtsgerichteten Nachbarn zu bezeichnen pflegen, habe ich ein Faible für die französischen Schriftsteller und ihre Form des Denkens. Ich liebe die gestaltete Sprache. Je schwieriger, “unverständlicher”, komplexer und abstrakter – umso besser! Je länger die Sätze mit ihren eingeschobenen Nebensätzen und noch einmal eingeschobenen Nebensätzen, mit diesen Fremdwörtern und der Überladenheit einer schwergewichtigen Metaphorik (“schwergewichtige” Metaphorik, was soll das sein?) – genau das soll es sein! – Was?
Es genügt, bei manchen Texten etwa von Serres, Derrida oder Baudrillard nur eine halbe Seite zu studieren – genug! Es wird weiter führen, zu neuen Ideen, neuen Fragen, neuem Denken, das gegenwärtig immer mehr verkümmert. Verkümmert die Sprache, dann verkümmert das Denken. Es verkümmert der Mensch. Also setzten die französischen Philosophen der 80er Jahre dieser verbreiteten Unfähigkeit, ja Dummheit und Ignoranz eine sprachlich-inhaltliche Dichte und Über-Komplexität entgegen, die provozieren, auch schockieren und aufrütteln will, Mensch zu bleiben, Mensch zu werden und nicht zur Maschine oder zu einer Maschinenexistenz zu verkümmern, um nicht das Wort “degenerieren” in den Mund nehmen zu müssen. Reduktionismus, Verkümmerung wird unser großes Thema sein!
Womit ich bei einem weiteren meiner Lieblingsthemen bin: der Technokratie, in die Menschen zu unfreien und hilflosen Dingen im Internet der Dinge werden, die gestaltet, gesteuert, manipuliert werden möchten von wem auch immer. Wobei ich das Wort “Technokratie” nicht im Sinne des Boulevard, sondern im Sinne seiner Erfinder, etwa von Jürgen Habermas und der Frankfurter Schule, verwenden will.
Das ist tatsächlich dann etwas anderes als der biedere Zweckrationalismus, diese preußisch-protestantische und leicht verständliche Vernünftigkeit hierzulande. Doch genug gesagt, angekündigt,versprochen und gezweifelt!
Adieu für heute und danke für’s Lesen!