141 Über Popmusik 3
Nur noch Verlierer
(Madonna “Ghosttown”*)
Madonna ist eine Frau, wie sie manchen Feministinnen gefallen wird. Selbstbewusst-arrogant setzt sie die Verführungs-Mechanismen des weiblichen Körpers ein mit dem alleinigen Ziel, als Domina schließlich sich zu rächen für all die Untaten, welche der Mann und sein Geschlecht dem weiblichen Körper seit Menschengedenken angetan hat. In vielen Teilen der Welt immer noch. Ich muss es zugeben.
Schon der Name „Madonna“ war eine Provokation. Angeblich ist er in Italien verbreitet neben anderen Erfindungen ähnlichen Kalibers, die sich in den USA sogar als Gottvater persönlich bezeichnen lassen.
Madonna als erfundene Kunstfigur, als ein zu decodierendes und zu interpretierendes Zeichen der Popkultur (sie selbst wird wohl eine ganz andere sein oder sein wollen) baut eine typisch feministische Falle der Ambivalenz und Paradoxie auf: verführen und bestrafen. Wir Männer wollen immer nur das Eine und sehnen uns deswegen zerknirscht nach der strafenden Peitsche. Wenn die mittlerweile englische Popdiva sich schließlich (resignierend?) den Frauen zuwendet und Zungenküsse mit ihnen austauscht, dann ist der Gipfel der Emanzipation erreicht: als Maskerade, als Show-Theater des Pop, um aufzufallen und die Kassen klingeln zu lassen. Auch wenn niemand mehr diesem Poptheater der allgemeinen Steuerung und Manipulation glaubt. Am wenigsten wohl Madonna selbst.
Doch nun mit den Jahren und mit fortgeschrittenem Alter, wenn auch der/die Besamer sich davon gemacht haben oder verstoßen worden sind – wie soll es Liebe zwischen einer Feministin und einem Nicht-Schwulen überhaupt geben können? – , jetzt blättert allmählich die Farbe der Maske ab und eine andere Tonart lässt sich hören bzw. wird jetzt von den allmächtigen Gewalten im Hintergrund für interpretationswürdig befunden.
Ihr neues Lied mit dem Titel „Ghosttown“(Geisterstadt), wieder ein Hitsong, führt uns nämlich in eine Welt, die nicht mehr von Sex und Glamour und sogenannter Prostituierten-Weiblichkeit zehrt, dem Gegensatz zur Macho-Männlichkeit, sondern die auch uns Normalsterblichen bekannter scheint mit ihren Brüchen und Verwerfungen, von denen Madonna nun auch und diesmal relativ ehrlich, wenn man’s glauben kann, singt (es haben vier Personen an diesem Text arbeiten müssen).
Dennoch kann sie es immer noch nicht lassen: Im Cover ihrer CD erscheint Madonna wie immer zeitlos schön und sexy als gefesselte Marylin-Modepuppe, wie sie die Chef-Maskenbildner und Kostümberater des Konzerns für gut befunden haben. Und damit werden wieder Abertausende von weiblichen Fans in die falsche Richtung einer sogenannten emanzipierten Frau geführt, die anscheinend immer noch Fesselspiele und Peitschen liebt, weil der Mann besser gar nicht geboren worden wäre.
Ob sie sich selbst auch einmal schon hat fesseln und auspeitschen lassen? – Wenn sie eine Künstlerin und keine Puppe der Großkonzerne ist, wird sie allmählich der Wahrheit ins Auge sehen und die lautet: Madonna, du wirst älter. Lass es. Wende dich anderen Dingen als dem Prostituierten-Gehabe zu. Deine Blütenträume sind trotz deines Reichtums nicht aufgegangen. Das verkündest du zumindest in deinen so ambivalenten Pop-Botschaften. Im Stillen verachtest du nämlich auch deine Fans, weil sie dein Betrugsmanöver nicht durchschauen wollen oder können und nur reine Klone deiner angeblichen Schönheit sein möchten. Verzichte auf die vielen Liebhaber und Liebhaberinnen, die wie Motten das Licht umschwärmen und bei Tagesanbruch dich auch wieder verlassen oder tot sein werden.
Ich kenne die Lieder von Madonna zu wenig, um mich zu deren musikalischer Qualität zu äußern. Aber ich denke, dies ist auch vollkommen unwichtig, was meine Thematik angeht. Mögen andere Menschen Septnonenakkorde und Quintparallelen in den Noten ausfindig machen oder auch nicht. Jeder lebt in seiner eigenen Welt. Doch dieses neue Lied hat mich tatsächlich verblüfft.
Madonnas Engagement in Sachen Feminismus hat einen Pyrrhus-Sieg errungen. Geschlagen ziehen sich manche Heldinnen mittlerweile aus der Schlacht zurück und verbinden ihre Wunden.
Das Reich der Amazonen, sollte es tatsächlich auf uns zu kommen, wird nur noch Verlierer kennen.
*Madonna “Ghosttown” (1 Single aus der CD “Rebelheart”)
Es folgt im 2.Teil meine freie Übersetzung von “Ghosttown”. Vgl.auch meine Abhandlung über Enrique Iglesias in dem E-Book “Drei Popsongs über die Beziehung der Geschlechter”(2012) und die Homosexualität von Iglesias jr.
S.91: Inhaltsverzeichnis 140-1
S.109: Bücher von Reinhold Urmetzer
Statistik Meist gelesen: 45 Vom Denken (dieser Aufsatz über Eurozentrismus wurde auf Reddit gepostet) 42 Jean Baudrillard (II) 130 Über die Sinnfrage 100 Über Karlheinz Stockhausen 24 Achim Kubinski 90 Zahlengeheimnisse