152 Lukian 3 (Hedonismus)
Über die Lust
Wir sind im Jahre 400 v.Chr. auf dem Sklavenmarkt von Athen. Merkur, der Gott des Handels und des Geldes, versteigert alle bedeutenden Philosophen der Stadt, die hoch angesehenen Erfinder von Lebensformen und gegensätzlichen philosophischen Systemen.
Ein Dialog entwickelt sich um die Philosophie der Lust, um den Hedonismus. Man nennt diese Lehre auch Kyrenaismus nach ihrem Begründer Aristipp von Kyrene. Dieser war ein Mit-Student von Platon im Kreis um Sokrates als Mentor und Lehrer. Aristipp war der erste, der von seinen Schülern (“Jünger”) später ein Honorar verlangte und erhielt.
Folgendes Gespräch entwickelt sich zwischen Käufer und Verkäufer:
Jupiter: Rufe nun den Kyrenäer dort im Purpurkleid und mit dem Kranz um die Stirne her.
Merkur( der Verkäufer): Nun, ihr Herren allerseits, gebt wohl acht! Das ist ein kostbares Stück, das nur reiche Leute kaufen können.
Wer hat Lust, sich das angenehmste, lustvollste, das glückseligste Leben zu verschaffen? Wer ist Liebhaber von Üppigkeit und Lust? Wer kauft mir diesen Weichling ab?
Käufer: Komm näher, du, und sage, was du kannst. Ich möchte dich wohl kaufen, wenn du zu etwas nütze bist.
Merkur: Beunruhige ihn nicht mit Fragen, wenn ich bitten darf. Du siehst ja, dass er dir mit dieser schweren Zunge nicht wohl antworten könnte; er ist betrunken.
Käufer: Aber welcher vernünftige Mensch wird einen so liederlichen und nicht enthaltsamen Sklaven kaufen wollen? Nach wie vielen Riechwassern er stinkt! Wie er daher kommt und keinen festen Tritt hat! – Und was soll dann an ihm gut sein, Merkur? Was ist seine Sache?
Merkur: Er ist ein trefflicher Gesellschafter und Party-Löwe, ein großer Weinkenner. Bei einem Gelage eines jungen Taugenichts mit einer Dirne den dritten Mann zu spielen, das macht ihm so leicht keiner nach.
Überdies versteht er sich sehr gut auf’s Kuchenbacken und er ist einer der geschicktesten Köche, die man finden kann. Mit einem Wort, ich kenne ihn als einen der ausgelernten Meister in der Kunst, jede Art von Lust zu verfeinern!
Seine Lehrjahre brachte er in Athen zu. Darauf trat er in die Dienste gewisser sizilianischer Fürsten und stand in außerordentlichen Gnaden bei ihnen.
Übrigens kann ich dir mit drei Worten sagen, worauf seine Philosophie hinaus läuft. Sie besteht darin: alles zu persiflieren, sich in alles schicken zu können und überall das Angenehme herauszufinden.
Käufer: Da wirst du dich um einen anderen Käufer umsehen müssen, der das Geld wegzuwerfen hat. Ich bin nicht reich genug einen so lockeren Vogel zu erstehen.
Merkur zu Jupiter: Der scheint nicht verkäuflich zu sein, Jupiter, er wird wohl noch eine Zeit lang hier bleiben müssen.(1)
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Hedonisten – sie sind auch bei uns mittlerweile zu einer großen Gemeinde angewachsen – zeichnen sich also durch folgende Eigenschaften aus: Sie lieben ein schönes Aussehen mit besonderer und wertvoller Kleidung sowie jede Art von Schmuck und Parfum. Sie sind nicht stark, “männlich”, kräftig, pflichtbewusst, sondern eher “Weichlinge” – Weinkenner, Kochen und Backen, Sex. Also für den so überaus wichtigen Staats-und Militärdienst in Athen und Rom alles andere als geeignet. Das heißt, eine politische Karriere war nicht eingeplant oder absehbar.
Über die sexuelle Freizügigkeit der Hedonisten im alten Rom habe ich bereits oft genug geschrieben. Nur scheint mir die Gegenwart mit ihrer Kunst, „die Lust zu verfeinern“, die Vergangenheit bereits deutlich überholt zu haben, ohne mich wieder weiter darüber ausbreiten zu wollen.
Gegen Ende fasst Lukian (er hat diese Geschichte etwa 180 n.Chr. geschrieben) drei Hauptmerkmale des Hedonisten zusammen, die wohl eine überzeitliche Gültigkeit besitzen: a) die Neigung zur Persiflage, zu Spott, Humor und Ironie. In den amerikanischen TV-Serien kippt alles fast nur noch in den Zynismus und schwarzen Humor um, der in der Antike ziemlich unbekannt war.
b) Die Genügsamkeit, sich „in alles schicken zu können“(2), und schließlich c) das heutzutage aus Amerika kommende “positive thinking“(positives Denken), “überall das Angenehme herausfinden“ zu können.
Wenn das keine sinnvollen Leitsprüche und Wegweiser für die Gegenwart sind, einen Lebensweg zum Glücklichsein einzuschlagen!
1 Lukian, Der Verkauf der philosophischen Schulen a.a.O. S.217f
2 Eine römische Lebensweisheit, aus der Stoa kommend, lautet: Über das Unabänderliche soll man sich keine Gedanken machen.