160 Tacitus (2)
Ein Sklavenleben
Im Folgenden geht es um einen Tötungsdelikt unter der Herrschaft des Kaisers Nero. Ein Sklave hat seinen Hausherrn, einen „gewesenen Konsul“ und Bürgermeister von Rom, getötet aus Eifersucht und Rache, weil dieser seinen Geliebten, ebenfalls ein Sklave im Haushalt des Herrn (dominus), als Nebenbuhler begehrt und missbraucht hatte(“seinen Herrn sich als Nebenbuhler nicht gefallen lassend”).
Das im Senat unter Nero behandelte Problem daran anschließend war jedoch nicht die gerechte Todesstrafe für den Mörder. Sondern nach römischem Recht sollten daraufhin alle anderen Sklaven des Haushaltes ebenfalls hingerichtet werden, und wären es auch – wie in diesem Fall – vierhundert Personen.
Dieses Vorgehen war nun einigen Politikern doch zu grausam, zumal sich das Volk bereits in den Straßen sammelte und gegen ein solch veraltetes Gesetz auf die Barrikaden zu gehen bereit war.
Wiedergegeben habe ich im folgenden Originaltext des Geschichtsschreibers Tacitus die Rede von Gajus Cassius im Senat, einem Anhänger der Kollektiv-Todesstrafe*. Der 24jährige Kaiser Nero, Vorsitzender des Gerichts, war ebenfalls für die Kollektiv-Hinrichtung. Mit einigen Tricks und Drohungen an die Bevölkerung wurde das Urteil schließlich auch vollstreckt.
„Oftmals, Senatoren, bin ich in dieser Versammlung gewesen, wenn gegen die Anordnungen und Gesetze der Vorfahren neue Senatsbeschlüsse gefordert wurden, und ich habe nichts dagegen gehabt.
Nicht etwa weil ich daran zweifelte, dass vordem für alle Angelegenheiten besser und zweckmäßiger gesorgt sei und, was man verändere, nur verschlimmert werde, sondern damit es nicht schiene, dass ich meine Stimme aus zu großer Vorliebe für die alte Sitte erheben wollte.
Zugleich glaubte ich das Ansehen, welches ich etwas besitze, nicht durch häufigen Widerspruch untergraben zu dürfen, damit es geschwächt bliebe, wenn einmal der Staat des Rates bedürftig wäre.
Dies ist heute der Fall, da ein gewesener Konsul in seinem eigenen Hause durch Sklaven-Hinterlist ermordet worden ist, die niemand verhindert oder verraten hat, obwohl noch der Senatsbeschluss nicht erschüttert ist, welcher der ganzen Sklavenschaft die Todesstrafe androhte.
Beschließt, beim Herkules, Straflosigkeit, aber kann dann einen seine Würde schützen, wenn das hohe Amt eines Bürgermeisters der Stadt noch nichts geholfen hat! Wen wird die Menge seiner Sklaven sichern, da den Pedanius Secundus vierhundert Menschen im eigenen Haushalt nicht geschützt haben.
Oder hat etwa der Mörder erlittenes Unrecht gerächt, wie einige ohne zu erröten unterstellen? Weil er über väterliches Vermögen einen Vertrag geschlossen hat oder ihm ein vom Großvater ererbter Sklave entzogen wurde?
Lasst uns doch gar den Ausspruch tun, es scheine uns der Pedanius Secundus mit Recht ermordet zu sein!“
Es folgt nach dieser zynischen Aufforderung eine längere Darlegung, dass es unter den Sklaven im Palast unbedingt habe Mitwisser geben müssen. Also müssten sämtliche Sklaven auch zur Abschreckung getötet werden.
Wie grausam die Römer auch mit Kriegsgefangenen umgingen, zeigt folgende Bemerkung in der Rede des Cassius:
“Es werden so aber einige unschuldig ums Leben kommen, wendet man ein. Nun ja, auch in einem geschlagenen Heere ziehen, wenn der Tod jeden zehnten Mann trifft, selbst die Tapferen das Los. Jedes große Straf-Exempel ist mit einer gewissen Unbilligkeit verbunden, die jedoch dem einzelnen gegenüber durch den öffentlichen Nutzen wieder aufgewogen wird“.
Das bedeutet, da die Heere („Legionen“) immer riesig groß waren(ca. zwanzig- fünfzigtausend Mann), wurden bei jedem Sieg des Gegners zwei- bis fünftausend Soldaten im unterlegenen Heer als Strafe immer sofort hingerichtet.
Tacitus beendet seine Beschreibung ohne Partei zu ergreifen:
„Es gab dennoch durcheinander hallende Rufe, die die Menge der Hinzurichtenden oder das Alter, das Geschlecht und der meisten unbezweifelte Unschuld bemitleideten. Dennoch behielt die Partei die Oberhand im Senat, welche die Tötung beschloss. Aber man konnte nicht Folge leisten, da die Menge sich zusammen drängte und mit Steinen und Feuer-Bränden drohte. Da gab der Kaiser durch einen Erlass dem Volke sein Missfallen zu erkennen und ließ alle Wege, auf welchen die Verurteilten zur Straße abgeführt wurden, mit Militär besetzen“.
Befehlsverweigerung unter Soldaten oder “Polizisten” wurde sofort mit dem Tode bestraft. Der Senat, das allgemeine Parlament, hatte je nach Zeitalter bis zu 1000 Mitglieder, alle aus der aristokratischen Oberschicht. Heute würde man Oberhaus sagen. Ein Unterhaus gab es nicht.
Cingonus Varro hatte daraufhin beantragt, dass auch die Freigelassenen, die sich unter demselben Dach befanden, aus Italien verwiesen werden sollten. Dies wurde vom Kaiser verhindert, „damit der alte Brauch, dem das Mitleid keinen Abbruch getan, nicht durch Grausamkeit übertrieben würde”.
Freigelassene gehörten zur obersten Schicht innerhalb der Sklavenhierarchie eines Hauses. Griechisch sprechende Sklaven galten als gebildet und waren oft Hauslehrer, denn man musste zweisprachig in Rom aufwachsen. Ägyptische Sklaven beiderlei Geschlechts vom Sklavenmarkt aus Alexandria, der Kornkammer des Reiches und an denen sich Männer wie Frauen „erfreuten“, waren nach Auskunft von Lukian „lasziv“ und begehrt(sexy würden wir heute sagen). Die Kinder der Freigelassenen waren im späteren Erwachsenenalter frei, wenngleich auch sie noch nicht ganz das begehrte römische Bürgerrecht besaßen. Auch diese Freigelassenen sollten ebenfalls im Antrag von Varro bestraft werden, diesmal mit Verbannung. Doch das war sogar dem Kaiser Nero zu grausam, zumal “dem alten Brauch durch Mitleid kein Abbruch getan” worden sei.
“Nach altem Brauch” war immer mit Grausamkeit verbunden, etwa auch die Todesstrafe durch Steinigen, vom Felsen Stürzen oder zu Tode Peitschen.
*Tacitus, Sämtliche Werke a.a.O. S.580ff
S.109: Bücher von Reinhold Urmetzer. Neu: “Abfahrende Schiffe” -Prosagedichte. Dazu gibt es auch eine CD mit Mao Zhao und Albertina Eunju Song. Vgl. Nr.63 und 64 im Blog.
Statistik Meist gelesen: 45 Vom Denken (Über Eurozentrismus) 42 Jean Baudrillard II Über Pornografie) 24 Achim Kubinski (Mein Beginn mit den französischen Philosophen) 155 Maurice Blanchot (der schwierigste Text von allen überhaupt !! Vielleicht gerade darum so beliebt) 25 Satyricon (Luxus und Laster) 114 Martial 100 Über Karlheinz Stockhausen (Neue Musik) 96 Vom akademischen Manierismus in der Neuen Musik (Kritik der Neuen Musik)