172 Antwort (Nr.170)
Montaigne
Es mag stimmen, was gestrenge Deutschlehrer sagen würden: Dass mein letzter Blog-Beitrag über Handlungstheorie (Nr.170) in seiner Stringenz nicht überzeugend, ja geradezu fehlerhaft gewesen sein soll. Dass ich keine klare Begriffsbestimmung, keine klare Linie verfolgt habe in der Argumentation, zu oft abgeschweift bin in andere, vielleicht sogar zu entlegene Themen-Bereiche und mich somit ganz verloren habe in einer großen Unübersichtlichkeit. Anstatt beim Thema zu bleiben.Wie kommen unsere Handlungen zustande? Wer oder was beeinflusst unsere Entscheidungsfindung? Wer oder was sagt ja oder nein in uns? Welchen anonymen Mächten dürfen wir uns anvertrauen, welche Cookies akzeptieren wir und warum, und welche Cookies wählen uns aus und warum? (Diese Antwort ist leicht).
Doch das ist gerade der Punkt: Wer schreibt uns vor, dass wir beim Thema bleiben müssten? In den Essays von Montaigne, die mir in vieler Hinsicht Vorbild sind, gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie der Autor gerade durch seine Abschweifungen manchmal in das Private, manchmal in das Triviale zu fesseln, zu faszinieren weiß. Selbst die Überschriften von Montaigne halten nicht immer das, was sie versprechen. Manchmal sucht man sogar vergeblich nach dem Thema, das in der Überschrift angegeben worden ist.
Und dennoch lese ich seine Aufsätze mit großem Interesse, mit großer Bewunderung. Immer wieder bezieht sich der Autor als ein Mensch der Renaissance auf die Antike und die antiken Autoren, wie ich sie auch wieder entdeckt habe. Er diskutiert die römischen, die griechischen Philosophen und bleibt schließlich doch auch immer nur wieder ein Skeptiker im Sinne von Sextus Empiricus.
Nicht zuletzt kommt er auch auf seine privaten Lebensumstände, auf sein schmerzhaftes Nierenleiden, auf seine Familie zu sprechen.
Gerade solche Abschweifungen machen seine Essays, die er als Gattung neu begründet hat, lesenswert, unterhaltsam, nützlich. Begriffe, die ich manchmal sogar für den intellektuellen Diskurs in Frage stelle und kritisiere.
Aber so ist das Denken, das Leben: voller Widersprüche, Anomalien, Überraschungen.
P. S. Diesen Text habe ich fast ganz bei meinen morgendlichen Spaziergängen ins Smartphone diktiert. Er wurde dort von der kleinen Maschine, einem Maschinchen, muss man wohl sagen, sofort und fast fehlerfrei aufgeschrieben. Eine wirkliche Erleichterung für mich und ein Fortschritt, oder etwa nicht? – Dies als rhetorische Frage gerichtet an die vielen Technik-Verweigerer um mich herum.
Aber auch ihr lest mich jetzt, Hallo! Was für ein schöner Widerspruch!
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A p h o r i s m e n zur
L e b e n s w e i s h e i t (2)
Erloschen wie eine
Kerze. Dann war alles
dunkel oder wieder
wie hell
Wo werden wir sein
morgen früh
Kommunikations
Krüppel nur
Kommunikations
Krüppel nur verkrüppelte /
Wer werden wir sein