2 Römisch-griechisch
Freistil
Ich bin nach der seltsamen Überschrift zu meinem Eröffnungs-Blog gefragt worden: “Ave atque vale”. Ave bedeutet willkommen und vale heißt adieu – meine TwitLonger-Komentare werde ich wohl ganz einstellen.
Ich will es genauer erklären.
In Latein schreibe und begrüße ich euch, weil ich mich ganz wie ein Römer – sagen wir aus der Zeit Lukians – fühle. In eben denselben autoritären Macht-Imperialismus hinein geboren, der sich permanent bedroht und zu verteidigen gezwungen fühlt bis hin zur totalen Ausspionierung der eigenen Bevölkerung. Von einem großen Luxus der Zeit erschöpft und fast schon krank gemacht, zumindest was (zu viel) Nahrung, Art (Sex) – und Selbsterhaltung betrifft.
Außerdem in einer Verwirrung und Unsicherheit des Denkens und auch seiner Gesetze befangen, welche alles relativieren kann und worin alles möglich und grenzenlos erlaubt zu sein scheint, selbst in der Moral. Mein Lieblingsphilosoph diesbezüglich ist Sextus Empiricus. These wie Antithese können seiner Meinung nach gleichermaßen gut bewiesen werden (die Isosthenie). Eine absolute Wahrheit kann nicht erkannt werden gegenwärtig. Das mag zwar zu einer “greulichen Verwüstung im Kopf” führen, wie Lukian schreibt. Es ist aber eine Tatsache, dass die Wahrheit sich dialektisch entwickelt (im Sinne Hegels). Nur Synthesis, Konsens stellen sich leider nicht immer ein. Also gilt es im Sinne der französischen Philosophen (Lyotard), Gegensätze auszuhalten, auch zu ertragen und nicht immer den Konsens zu suchen.
Nicht zuletzt haben sich auch alle Götter von uns verabschiedet, zumindest vorübergehend, wie ich glaube. Sie sind durch andere Götter etwa der Zahl, der Wissenschaft, der Macht, der Lust oder des Geldes ersetzt worden.
In Rom hat damals das Christentum und die Stoa die Lücke der Orientierungslosigkeit und der pluriversen “Alles geht” – Mentalität siegreich gefüllt. Julian Apostata war der letzte Verteidiger des alten Denkens und der alt-griechischen Götter – vergeblich.
Vor dem Zeitalter Kaiser Konstantins gab es diese Phase der Verwirrung und der Experimente, der neuen Ersatzgötter, der hedonistischen Lust-Vielfalt, auch der mentalen Orientierungslosigkeit für eine lange Zeit. Mit allen Konsequenzen: der Militarismus samt dem soldatisch-homosexuellen Männlichkeits-Ideal waren die alles beherrschenden Machtfaktoren.
Ich bin also ein Römer. Kein Grieche, denn die Griechen kämpften nicht so hartnäckig um ihr Machtimperium, waren nicht so imperialistisch und kosmopolitisch – plurivers wie die Römer.
Vielleicht bin ich es auch in meinem Sexualverhalten. Ich bin zwar wie die Stoa für eheliche Bindung, Treue und Familie. Aber in die männliche Sexualität konnte und kann ich mich ebenso hineindenken, sie wahrnehmen und empfinden wie die weibliche. Ich denke dabei an die Liebesgedichte etwa Catulls, die sich gleichermaßen und gleichermaßen leidenschaftlich an Männer wie an Frauen richten.
Und wo sind heute die Sklaven geblieben mit ihrem Fundament der Arbeit in diesem Riesenreich? – Auch sie sind weiterhin unter uns. Nur nennen sie sich nicht mehr so. Sie sind zwar jetzt “Freigeborene”. Aber doch meist immer nur geduldete Zaun-Gäste. Und fragt mich nicht, aus welchem Land sie fliehen mussten, welche Arbeit sie hier verrichten und wie sie gerade am Existenzminimum dahin vegetieren, gemessen an dem Reichtum der Wohlhabenden und Herrschenden, die ihre Dienste in Anspruch nehmen.
Letztlich führen auch noch viele Frauen hier zu Lande ein entwürdigendes Sklavendasein, abhängig vom Geldbeutel und der Kreditkarte ihres Gatten, der sich alle Rechte heraus nehmen darf. Immer noch.
Ich bin also ein Römer, und nur schweren Herzens bin ich bereit, Englisch als internationale Sprache zu akzeptieren. Besser wäre das Vulgärlatein des Mittelalters gewesen, ganz zu schweigen von der Eleganz und Musikalität des Französischen, das ebenfalls in der Zukunft ums Überleben wird kämpfen müssen.
Wer mehr über mich erfahren will, mein Denken, meine Einstellungen, meine Meinung ob rechts links oben unten autoritär antiautoritär Asket Genuss grün blau SPD CDU homophob homophil hedonistisch asketisch etc., der soll meine Whohub-Interviews unter Reinhold Urmetzer googeln (1)
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1 Diese Webside ist mittlerweile ganz eingestellt und geschlossen worden samt all meiner Texte, die leider ebenso unauffindbar und verschwunden sind (30.7.2020)