279 Wir sind das Volk (Popmusik 16)
Es häufen sich in der Popmusik die Erinnerungen an die Zeit der Blumenkinder. Jetzt, wo angeblich jede zweite Ehe in den USA geschieden wird, fällt die Trennung von den JugendTräumen besonders schwer. Es war tatsächlich ein überschäumender Optimismus in der Welt, er war hörbar, spürbar – und er war einflussreicher auf Kultur und Moral als die ganze idealistisch-utopische Politik der Studentenbewegung zusammen.
In dieser optimistischen Zeit und Generation aufzuwachsen(„Du kannst es, du schaffst es, du bist es“) war immer noch besser als ständig nur „No Future“ in den Popsongs zu hören und als Graffiti an den Wänden zu lesen. Ganz zu schweigen von dem Geld-werten Selbstbewusstsein, das sich nur noch durch eine Marke definiert, deren Wert und Image vom „ Markt“ und seinen Steuerungs-Mechanismen definiert werden. Ich bin besser, weil ich eine noch teurere Marke besitze als du. Kein „Cogito, ergo sum“ mehr: ich bin, weil ich denken und zweifeln kann. – Nein danke. Dies der Stand der Dinge gegenwärtig.
Die Nachwirkungen der Hippies: Das Öffnen der westlichen Lebensform und Weltanschauung auch für den weiten asiatischen Bereich, freie Liebe unter dem Einfluss von Wilhelm Reich, das Recht auf Rausch und trotzdem eine Mitte finden zwischen Arbeit und Leben, Lieben und Verzicht – all diese Vokabeln haben die westliche Kultur nachhaltig beeinflusst und gesteuert bis auf den heutigen Tag. Auch wenn das propagierte neue Zusammen-Leben, das Zusammen-Lieben doch nicht so einfach war wie angenommen. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Das Lied mit dem überheblichen Titel „Wir sind das Volk“ der australischen Popgruppe Empire of the Sun ruft mit einer nostalgischen Sehnsucht das Jahr 1975 in die Erinnerung zurück. Der Vietnamkrieg war zu Ende, aber anders, als man es erwartet hatte. Die politischen Emanzipationsbewegungen hatten sich in einem blindwütigen Dogmatismus fest gebissen, der sogar den Terrorismus zu legitimieren versuchte. Einzig die Frauenbewegung konnte überleben, auch wenn gegenwärtig Rückzugsgefechte zu beobachten sind.
Überlebt hat auch die Flucht nach innen und in die (oft vergebliche) Selbsterforschung zu zweit. Im Lied wird zu Beginn die Abenteuerlust und das überschwängliche Selbstbewusstsein der jungen Menschen angesprochen, ihr unbedingtes Wissen, wo’s lang gehen soll und wird und der große naive Optimismus der Zeit. Popmusik-typisch wird jedoch der allgemeine gesellschaftliche Trend in die individuelle Befindlichkeit und Erkenntnis verlegt, dass gegenwärtig alles anders geworden ist und man nicht mehr zusammen passt. Also sich trennt.
Meine freie Übersetzung geht dann und wann wieder eigene Wege. Dennoch glaube ich, dass der Sinn des Liedes getroffen ist.
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Wir sind das Volk
Sich ans Schwimmen im Dezember 75
erinnern die Stadtlichter
ansteuern mehr nah als fern sind wir uns gewesen der Duft einer
Zitrone macht deine Augen jetzt
feucht
Wir waren Menschen, die die Welt regierten
Eine große Stärke in jedem von uns
All dieser Jubel auf den Straßen
Los, wir können es schaffen
glaubten wir
Das Abenteuer leben im Summer of
Love der Sonne bis in die Nacht
hinein folgen sich an andere Zeiten im Leben erinnern für jeden anders das
Gefühl war stark dann der Schock und ich verlor mich allein
in deinen Augen
Kannst du dich noch erinnern?
Dort wo wir so erregt
lagen im Sand voll
Energie wie damals – los,
probieren wir es noch einmal!
Ich weiß alles über dich
Du weißt alles über mich
Wir wissen alles über uns
Wirst du mich wirklich aufgeben?
Ich kann es nicht wieder gut
machen, wenn du jetzt gehst
Aber ich versuch’s
Empire of the Sun, „We are the People“
Eine Single, Australien 2008