325 Über Blasen und Gruppen-Inzest (3/3)
Vernunft der Wissenschaft, Vernunft Afrikas (3)
Less Wrong – Weniger falsch
Der intellektuelle Diskurs über Rationalität(en), Wahrheit (en), auch Schönheit oder Gerechtigkeit hat sich in den letzten Jahren zunehmend aus den universitären Zirkeln in die Internet Foren und in die Internet Communities verlagert, “ausgelagert”, kann man auch sagen. Das bedeutet: Jede Gruppe sucht sich im Internet ihre Anhängerschaft, bildet kleine Foren der Wahrheitsfindung und Abschottung. Diese Auseinandersetzungen haben sich immer mehr verstärkt in der Gegenwart. Was ist rechtes, was linkes Denken? Welche Demokraten in den USA sind konservativ, welche konservativen Politiker dort sind mehr als demokratisch? Was bedeutet Emotionalisierung der Politik? Nur noch Theater und narzisstisch-egomanische Shows auf der medialen Weltbühne?
Ist die Evolutionstheorie tatsächlich so unwissenschaftlich, sind Berechnungen über die Ursachen des Klimawandels oder die Wirtschaftsentwicklung einseitig nur von Interessen gelenkt? Ist alles so falsch, wie der amerikanische Präsident Trump mittlerweile mit steter Regelmäßigkeit in seinen kurzen Botschaften Wissenschaftlern unterstellt, wenn sie ihm nicht zustimmen?
Vor allem hat sich eine heftige, auch sehr emotional geführte Auseinandersetzung um Presse (“Lügenpresse”), Wissenschaftlichkeit, Wahrheit, “alternative Wahrheit” und Nicht-Wahrheit (“Fake”, Fälschung) gebildet. Man kann tatsächlich bereits von einem Kultur-Kampf in den USA wie in Deutschland um 1880 sprechen, der weitreichende Auswirkungen hat bis hin zu Spaltungen und Zerwürfnissen selbst im familiären Bereich. Kritische Diskussionen um Begriffe wie Wahrheit und Freiheit, ökonomischer Neo-Liberalismus, die Gender-Thematik sowie Künstliche Intelligenz stehen dabei ganz oben. Und jeder denkt sich seine Wahrheit, wie er kann und will. Ganz ohne Konsensabsicht, Selbstkritik oder Bereitschaft zur Korrektur..
Alle diese Ansätze lassen sich tatsächlich im postmodernen Denken der französischen Philosophen finden. Wie dort gehen die neuen amerikanischen „Postulatoren“ ohne es zu wissen jedoch noch weiter zurück, sogar bis in die römische Antike hinein mit ihrem Skeptizismus. Auch Merkmale der griechischen Sophisten lassen sich leicht wieder finden.
Einen Vorspann in eigener Sache zu dieser erkenntnistheoretischen Problematik und den impliziten letztlich auch ethischen Schlussfolgerungen muss ich gleichwohl jedoch jetzt schon einfügen. Ich schreibe immer wieder in diesem Blog von Isosthenien, von Gleichwertigkeiten auch in der Argumentation, selbst in der Begriffsbestimmung. Etwa was der Begriff „Freiheit“ bedeutet anhand seiner Begriffsgeschichte: Was war Freiheit in der DDR, was in der BRD? Dass also selbst bei der Begriffsbildung nicht mehr “objektiv“ gesagt werden könne, was verallgemeinerbare Wahrheit, was Falschheit sei.
Solche Isosthenien entwickeln sich naturgegeben, habe ich darzulegen versucht, wenn nur lange genug unterschiedliche Menschen nachdenken und man die Zeit verstreichen lässt. Insofern ist auch die These, dass ein Mensch gleichermaßen politisch links wie politisch rechts sein kann, für mich nicht ungewöhnlich oder nicht rational, sondern sogar bedenkenswert. Die neue Richtung der geistigen amerikanischen – wie soll ich sie nennen – Chaotik(?) bezieht sich jedenfalls auf diese Position. Sie versucht gleichwohl, rational argumentativ vorzugehen selbst im Sinne von AntiRationalismus und in ihrem Kampf gegen einen scheinbar veralteten „Rationalismus“. Sie läuft jedoch Gefahr, sich dennoch im Sprachspiel des internationalen Denkens, des Argumentierens und Gehört-werden-Wollens unglaubwürdig zu machen. Extrapoliert sich letztlich aus der Kommunikations-Gemeinschaft heraus und in die Isolation. Wird quasi zu einer Sekte wie jeder Fanatismus, der seine Anhänger sucht und findet.
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Eine solche durchaus um „Rationalität“ – was auch immer das sein mag – bemühte Communitiy habe ich in den USA gefunden. Ihr Kommunikations-Organ nennt sich Less Wrong (Weniger falsch) und ist eine Online-Publikation mit durchaus diskutablen Blogeinträgen neuer Vor- und Meisterdenker. Der neu ausgebrochene Kultur-Kampf scheint in den USA mächtiger und aggressiver zu sein als in Europa, auch wenn durch Brexit- und andere Populisten das intellektuelle Klima mit eigenen Blogs und Internet Foren sich langsam aber sicher auch hierzulande amerikanischen Verhältnissen annähert. Alle Autoren scheinen politisch links wie rechts gleichzeitig zu sein, mal so, mal so, also ziemlich „flexibel“ und chaotisch. Sie bezeichnen sich als konservativ und bewusst anti-links (selbst wenn sie es gerade nicht sind). Aber noch lieber nennen sie sich libertär, was auch immer das in ihrer Denkweise bedeuten mag. Und sie scheinen in der Erkenntnistheorie Anhänger des kalifornischen „Alles geht“-Philosophen Paul Feyerabend zu sein, ohne dass sie es wüssten.
Zwei Schwerpunkte will ich vorstellen :
a) die Antibewegung gegen Wikipedia, die sich RationalWiki nennt (auch als RatWiki bezeichnet) und was diese Menschen geistig bewegt am Beispiel von Alexander Scott und Elizer Yudkowski und
b )will ich in Teil IV auf die Claremonter-Gruppe zu sprechen kommen, ein einflussreicher Think Tank bei Los Angeles, dem Trump sein Weltbild sowie Worte und Ideen auch seiner Ghostwriter und Tweet-Schreiber verdankt. Nicht zuletzt stammt aus dieser Ecke auch Steve Bannon, ein in Ungnade gefallener und immer noch einflussreicher Berater des amerikanischen Präsidenten(1).
RatWiki.- Viele unserer sicheren Gewissheiten und Wahrheiten, wie sie in Wikipedia propagiert werden, sind falsch, behauptet diese neue Intellektuellen-Generation. In ihrer Urteilsfindung gibt es sogar neuartige Subtilitäten und Differenzierungen: Es gibt mittlerweile in diesem Denken Urteile die wahr, falsch und (neu!) vorhersehbar falsch (predictably wrong) sein können. Vorhersehbar falsch sind demnach viele der gegenwärtigen Wahrheiten von Wikipedia. Manche Wikipedia Beiträge werden aus der Sicht dieses radikalen Subjektivismus sogar ganz abgelehnt, denn wahr ist scheinbar eher nur das, was ich denke und fühle. Meine Sicht der Welt kann ebenso wie die gegensätzlich andere sehr vielfältig und unüberschaubar sein. Also gibt es viele Wahrheiten, und alles ist letztlich Interpretation, also subjektiv. Neumodisch genannt ein ” Narrativ”.
Die Brille, mit der du die Welt anblickst, zeigt deine Welt-Sicht, sagte schon Kant. Ebenso jetzt und neuzeitlicher behauptet dies auch Jean François Lyotard. Nur trägt der Zeitgenosse heutzutage weniger die Kant-Brille. Er ist mehr zum Individualisten, zum intellektuellen Privat-Interpreten von Zeichen und Botschaften, kurz zum Geschichten-Erzähler eigener Wahrheiten geworden. Und zum Egoisten, der selbst -darstellerischen Narzissmus und Egomanie nicht ausschließen will. Solidarität ist für diesen Menschen ein veralteter Begriff.
Das Subjekt, das Individuum, das Ich allein erfindet in einem neuen geistesgeschichtlichen Anlauf seine Welt. Sie existiert nicht objektiv, sondern nur subjektiv und immer wieder anders. Soweit auch die Subjekt-Philosophie des deutschen Idealismus, die in Fichte bereits einen ihrer Hauptvertreter hatte, quasi die Ekstase des Ich-Denkens und seines egomanischen Narzissmus.
Die Welt der Ameisen ist tatsächlich eine andere als die der Löwen; die Welt der Löwen eine andere als die der Menschen; die Welt der Menschen eine andere als die der Götter etc. (sage ich). Wie bei den antiken Sophisten ist der einzelne Mensch, das Individuum (und nicht das Kollektiv etwa einer demokratisch ausgerichteten Gemeinschaft) das Maß aller Dinge, der seienden, ob sie sind, und der nicht-seienden, ob sie nicht sind.
Die jeweils so unterschiedliche Sicht auf die Welt und die Dinge bleibt also immer unterschiedlich, sofern keine autoritäre Dogmatisierung eintritt, etwa der Zwang zum Für-wahr-Halten einer vorgeschriebenen (Glaubens)Wahrheit. Deshalb ist die Differenz, das Andere, Andersartige auch ein so wichtiger Begriff bei allen postmodernen Denkern. Dies ist auch meine erkenntnistheoretische Position, die sich an manchen Stellen tatsächlich mit dem postmodernen Denken trifft.
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Wie kommt demgegenüber nun das „alte“ Wikipedia zu seiner Wahrheit?
Einmal durch Argumentation in internen Gesprächsgruppen der Redaktion; zum anderen aber immer wieder auch durch „Belege“. Bis heute scheint es notwendig, dass man zitiert, dass man die Zitatstellen angibt, d.h. Thesen oder Behauptungen belegt. Immer wieder findet man in Wikipedia auch den Hinweis auf nicht abgesicherte Wahrheit(en): Belege fehlen – und die Wahrheit dieses Satzes, dieser ganzen Textstelle darf angezweifelt werden. Zur Verbesserung solcher Textstellen wird man sogar um Mithilfe gebeten.
Genau diese Methode der Wahrheitsfindung ist aber nicht mehr unumstritten. Selbst Ludwig Wittgenstein, ein Vordenker der analytischen Philosophie, also mittlerweile auch von Digitalisierung, Steuerungs-Wissenschaft, Kybernetik, hat auf Belege verzichtet, da man angeblich nichts Neues mehr sagen könne.
Ähnlich gehen auch die französischen postmodernen Philosophen vor, wenn Derrida gelegentlich das Zitieren parodiert oder ganz aufgegeben hat. Die philosophischen Botschaften mancher französischer Autoren werden oft sogar in künstlerischer Verpackung nur noch angeboten. Derrida etwa setzt sehr wenig Belege ein, wenn er seine skurrilen Behauptungen über „die rechte Hand Heideggers“ in einer Art Vortrags-Performance in die Welt setzt, um uns zu verblüffen, zu provozieren oder auch nur zu amüsieren(2). Baudrillards ironisch gebrochene Science-Fiction-Halluzination über das Ende des Sex im Zeitalter der Pornografie, über die “obszöne Ekstase” der Befreiung des Menschen im Kapitalismus oder die perverse Herrschaft der Dinge (Maschinen) über Mensch, Gesellschaft und Staat bevorzugt sogar in einem (pseudo?)wissenschaftlichen Diskurs nur noch das verschlüsselte, fast schon hermetische Sprechen, um es provokativ oder ironisch lächelnd einzusetzen(„alles ist falsch, was ich sage“).
Selbst die Berufung auf die Wahrheit(en) eines vielleicht sogar Jahrhunderte lang anerkannten Vordenkers ist nicht mehr unumstritten. In der Antike und auch noch im Mittelalter bis hin zur Aufklärung ging es weniger um empirische Beweise, sondern nur um den Bezug auf anerkannte Autoritäten. Um eine These zu beweisen, muss man im logisch-argumentativen Vorgehen zurückgreifen auf eine wie auch immer bereits festgestellte/festgelegte Wahrheit aus der Vergangenheit. Es stimmt, was XY gesagt hat. Wir können uns auf ihn verlassen, denn seine Aussagen haben sich bewährt. Diese Methode gilt bis in die Gegenwart hinein; eher ausschließlich zwar nur bei der Interpretation religiöser Texte, etwa denen der Bibel oder des Koran. Sie gilt aber versteckt manchmal auch im anglo-amerikanischen Rechts-System, das mitunter gänzlich anders ist als das europäische.
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Wie sieht nun das neue alternative RationalWikipedia aus?
Was macht es glaubwürdig? Achtung: Ich sage nicht „wahr“, sondern „glaubwürdig“. – Am Beispiel von Less Wrong kann man gut zeigen, wie das neue Denken in Amerika funktioniert, wie es selbst mittlerweile auf das politische Verhalten Einfluss genommen hat bis hin zu seinem Präsidenten(3).
Die jüngeren Adepten der meist in den USA lebenden neuen Vordenker – wie manche Staatsführer sind sie gelegentlich sogar unter oder um die 40 Jahre alt – sehen sich mit der Alles-geht-Denkweise (Wahrheit gibt es nur von Fall zu Fall) auf dem richtigen Weg in der internen Schulung (Rekrutierung?) Gleichgesinnter. Erfahrungen der älteren Generation können überflüssig, ja schädlich werden. Dass man, wie in der Antike vom Stamm der wilden Skythen berichtet wird, die über 60jährigen den Göttern bereits opfern will, wird zwar noch nicht diskutiert. Aber der Haupteinflüsterer der älteren Generation, das Wikipedia-Lexikon, sei ganz auf dem falschen Weg.
Also gründet man ein neues Lexikon mit Namen RationalWiki (RatWiki). Eliezer Yudkowsky, einer der Vordenker und Gedankengeber, schrieb das Grundmaterial eines so aufgebesserten neuen Lexikons von Wissen und Wahrheit, das „weniger falsch“ sei. Seine „Sequences“ auf „LessWrong“ bestehen aus mehr als 600 Blog-Posts, veröffentlicht in den Jahren 2007-2009, und sie beschäftigen sich unter anderem mit Themen wie Erkenntnistheorie, Künstliche Intelligenz, Fehler der menschlichen Rationalität, Metaethik und Entscheidungstheorie. Interessant dabei ist, dass man sich wegen der Länge der Texte, die alle nur über Internet und BlogPosts veröffentlicht werden, in einer Verteidigungshaltung befindet (4). Wer in der jungen Twitter-Generation des fortschreitenden Analphabetismus vermag noch längere Texte oder auch nur zwei eingeschobene Nebensätze in einem Hauptsatz zu verstehen, ohne nicht gleich wütend zu werden über einen solchen Stil und los zu schimpfen? – Ich übertreibe.
In seiner Einführung in den Less Wrong Blog und damit auch zum gedanklichen Hintergrund des RatWiki schreibt Yudkowsky:
„You hold in your hands a compilation of two years of daily blog posts. In retrospect, I look back on that project and see a large number of things I did completely wrong. I’m fine with that. Looking back and not seeing a huge number of things I did wrong would mean that neither my writing nor my understanding had improved since 2009. Oops is the sound we make when we improve our beliefs and strategies; so to look back at a time and not see anything you did wrong means that you haven’t learned anything or changed your mind since then“. –
„In Ihren Händen halten Sie eine Sammlung von täglichen BlogEinträgen innerhalb von zwei Jahren. Rückblickend auf diese Arbeit sehe ich eine große Menge von Fehlern und Dingen, die ich total falsch gemacht habe. Es ist jedoch ok. Eine Menge Fehler nicht zu erkennen würde nämlich bedeuten, dass weder mein Schreiben noch mein Verstehen verbessert worden ist seit diesen zwei Jahren(2007-2009). Ups – so klingt es, wenn wir unsere Überzeugungen und Strategien verbessern müssen. Nichts Falsches zu finden bedeutet nur, dass man nichts gelernt oder seine Meinung seitdem nicht geändert hat.“ – Wobei seine Meinung zu ändern, auch sprunghaft oder widersprüchlich zu handeln, durchaus positiv gesehen wird. Siehe nur die Politik des gegenwärtigen amerikanischen Staatspräsidenten.
Es gibt eine Reihe von ausgewiesenen Mitarbeitern aus dem akademischen, aber auch aus dem nicht-akademischen Bereich, deren gedankliche Positionen rechte wie linke Parteien bereits infiziert haben. Man lehnt bekanntermaßen einen Großteil der Presse ab (Lügenpresse) und unterstützt nur noch eigene Fürsprecher und Anhänger. Ob sich dieses Denken zum Fox-Film-und TV-Imperium bekennt, ist mir noch unklar. Da es sich im Aufbau befindet und noch keinen so großen Zuspruch findet wie das traditionelle Wikipedia, beschränkt man sich unter anderem auf folgende weitere Schwerpunkte: Neo-Reaktionäre – Feminismus – Libertarismus – Kommunismus – Existentielle Gefahren – Nützlicher Altruismus – Rasse und Intelligenz. Und immer wieder die Frage: Was ist Rationalität, wie und wann handelt man rational?
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Einige Begriffe will ich aus der Sicht dieser Vordenker, etwa auch Alexander Scott, erklären:
– Reaktionär sind alle diejenigen, die den eigenen Standpunkt nicht teilen, sei es aus einer linken oder rechten Position heraus. Man versteht sich in guter Tradition als Avantgarde-Bewegung, auch wenn avantgardistische „progressive“ Denker in einem Zitat von Umberto Eco mittlerweile nicht mehr als Avantgarde (Vorhut), sondern nur noch als Nachhut (Arrièregarde) bezeichnet werden. Wobei „progressiv“ in diesen Kreisen mittlerweile fast zu einem Schimpfwort geworden ist.
– Feminismus. Die Emanzipationsbewegung der Frauen, in den 50er Jahren intellektuell begründet u.a. von Simone de Beauvoir, ebenso aber auch unterstützt von Herbert Marcuse (er hat sie an seinem Lebensende nur noch als einzig erfolgreiche Überlebensbewegung der Idee einer Emanzipation verstanden), hat sich besonders stark in den USA zu einem fanatischen Dogmatismus entwickelt, so die kritischen Bemerkungen.
In ihrer Ablehnung der Männerwelt (Denken, Sprache, Verhalten und Sexualität) redeten manche Feministinnen einem noch nie da gewesenen Gender-Rassismus das Wort (Männer als Müll, Schweine) und sie kehrten in ihrer aggressiv geführten Auseinandersetzung die Vorzeichen diskriminierender Unterdrückung einfach um. Mit dem Ergebnis, dass zunehmend es nur noch einen immer heftigeren Geschlechterkampf geben wird und sich die Geschlechter immer mehr voneinander entfernen werden (MGTOW, Men go their own way nennt sich eine neue Männer-Bewegung). Die allgemeine Spezies Mensch scheint ganz zu verschwinden und immer mehr durch eine neue Art “Gentrifizierung” – hier Mann, hier Frau, hier das „dritte Geschlecht“ – verdrängt zu werden.
Alexander Scott sieht sich im RatWiki in seiner Auseinandersetzung mit dem Feminismus weder als Feminist noch als Anti-Feminist. Dennoch werde er unfairerweise beiden Seiten zugeordnet, sagt er.
– Libertarismus: Als ein Beispiel für die Widersprüchlichkeit von Denken und Argumentation sei die Definition von „libertär“ angegeben. Scott schreibt, dass er weder für noch gegen Libertarismus ist, dass er das libertäre Denken gleichermaßen gut wie schlecht findet und so weiter:
„I feel pretty okay about both being sort of a libertarian and writing an essay arguing against libertarianism, because the world generally isn’t libertarian enough. But the sorts of people who read long online political essays generally are way more libertarian than can possibly be healthy.
Ich finde es ziemlich gut, beides zu sein – libertär und gleichzeitig in einem Essay gegen den Libertarismus zu argumentieren, denn die Welt allgemein ist nicht libertär genug. Aber Leute, die online lange politische Essays lesen (können), sind vielleicht weit mehr libertär, als es ihnen gut tut.
Ein weiteres Hauptthema, das permanent diskutiert wird und unweigerlich immer wieder den Science-Fiction Bereich berührt, sind die langfristigen sozialen, wirtschaftlichen und philosophischen Folgen der Entwicklung der Digitalität sowie der Künstlichen Intelligenz (KI, Artificial Intelligence, AI). Es scheint überall in den USA und nicht nur in Kalifornien ein weit wichtigeres Thema zu sein als hierzulande in Europa, wo die Kriegsrhetorik eines Show-Präsidenten mehr noch im Mittelpunkt steht, sein autoritäres Gehabe und das Problem mit seiner Glaubwürdigkeit allgemein.
Namen wie Stephen Hawking werden genannt, ein eigenes Forschungsinstitut existiert angeblich bereits (MIRI Machine Intelligence Research Institute). Seltsamerweise findet in diesem Kontext auch die Philosophie Martin Heideggers Zuspruch und Interesse. Vom Cyber-Existenzialismus wird bereits gesprochen: Das Sein und das Nichts zusammen im (friedlichen?) Diskurs mit unseren elektronischen Apparaten und Manipulations-Maschinen (Achtung Ironie!).
Welchen Vorschlag zu einem glücklichen Leben werden diese Geräte sich im Lauf der Zeit einfallen lassen müssen?
Und warum “müssen”?
Es folgt Teil 4 und Abschluss: Die Claremonter Denkfabrik (The Claremonsters)
13.8.2019/ 2.11.2020
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1 Zwei nützliche und sehr informative Interviews mit Steve Bannon sind in der Neuen Zürcher Zeitung vom 7. März 2018 und 16. Mai 2019 zu finden. Ich verlasse mich darüber hinaus meist auf die Korrespondenten der NZZ und ihre Berichterstattung über das geistige Leben in den USA, vor allem auch, was Kalifornien betrifft.
2 vgl. die beiden Aufsätze über Derrida Nr. 17 und 18 im Blog
3 An dieser Stelle sollte/müsste jetzt ein Beleg oder ein Beispiel von mir folgen. Aber großzügig wie diese Menschen auch verzichte ich darauf und unterstelle einfach meine gesicherte Glaubwürdigkeit.
4 Ein Thema, das mich ebenso sehr beschäftigt, denn die Blogform zwingt mich als Autor zu einem reduzierten Schreiben und reduzierten Denken. Auch das Lesen und Schreiben längerer Texte fällt mir immer schwerer. Ganz zu schweigen von Büchern und dem Verlagswesen, das meiner Meinung nach in einer ebensolchen Endphase steht wie die handgeschriebenen Bücher gegen Ende des Mittelalters und vor der Entwicklung des Buchdrucks.