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Ein Interview mit Reinhold Urmetzer
Frage: Sie sind ein ausgewiesener Spezialist für zeitgenössische Musik, Opern-
Nicht ganz, aber fast.
Warum?
Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Rockkonzert. Tausende von Menschen um Sie herum jubeln, sind glücklich, haben sich auf den Augenblick gefreut. Und diese Leute sollen tags darauf in der Zeitung lesen, weil es tatsächlich so war: schlecht gespielt, miese Musik, einfallslose Texte. Ich konnte es einfach nicht mehr schreiben. Alles wird so relativ.
Ich habe mich dann in den Stil geflüchtet. Es hat mir Freude gemacht. wenn man mir vorwarf aus meinen Artikeln wäre keine Meinung mehr herauszulesen. Sollte man ja auch nicht. Jeder hat seine eigene Meinung, und die ist richtig.
Sie haben gleichzeitig angefangen, Akrostichen in die Artikel einzubauen.
Ja. Aus Langeweile. Alles kam mir so sinnlos vor, die Beschreibungen von klassischer Musik, immer wieder dasselbe, Opern, neue Musik. Da war nichts mehr neu, alles nur noch Klischee, nachgemacht, Akademismus. Internationaler Stil nennt man das in der Architektur. Wichtiger waren mir ab einen bestimmten Punkt dann tatsächlich die verschlüsselten Botschaften, die ich in die Texte mit einiger Mühe eingebaut habe.
Wo haben Sie sie veröffentlicht?
In Fachzeitschriften wie der “Neuen Zeitschrift für Musik“ oder dem “Orchester“ sind sie mir besser gelungen. Da hatte ich genug Zeit zum Nachdenken. Aber auch in der taz habe ich gelegentlich welche erfunden.
Wieviele dieser Akrostichen haben Sie zustande gebracht?
So etwa 25. Besonders stolz bin ich auf ein lateinisches Palindrom, “In girum imus nocte et consumimur igni“, im Kreis gehen wir nachts und werden vom Feuer verzehrt. Diesen Satz habe ich in einen zweiteiligen Aufmacher über die Stuttgarter Disko-
Wusste er von Ihrer Absicht?
Nein. Niemand wusste davon. Nur zwei, drei Leute. Stellen Sie sich vor: zweihundert, dreihunderttausend Mal läuft ein ganz persönlicher Satz durch die Druckerpressen, steckt in den Zeitungen, und niemand außer Ihnen weiß davon. Das ist Kunst, meine ich, unabhängig sein von Geld, Erfolg oder der Zustimmung des Publikums.
Dann haben Sie die Seite gewechselt und selbst den Kompositionsstift gezückt. Machen Sie es besser als Ihre kritisierten Künstlerkollegen?
Das weiß ich nicht. Darum geht es auch nicht. Überhaupt nicht. Was ist gut, was ist schlecht? Ein Anruf Kai Petersens vom Arioso–
Ich habe einige Jahre in Rockgruppen gespielt, mit dem Scorpions–
Mich stuft Kay Petersen immer noch, selbst in der Klassik, als “Underground“ ein. Er war Konzertmeister im SDR-
Minimal Music, Werke etwa von Phil Glass, die das Quartett im Programm hat, zählt ja eher zur Popmusik als zur Klassik.
Ich weiß nicht, ob man meine Musik als “minimalistisch“ bezeichnen kann. Mir gefallen zwar die Ideen von Karel Goeyvaerts, den ich persönlich kennengelernt habe, und manche Stellen im Felix-
Immerhin stammt die Kompositionsvorlage aus dem 16. Jahrhundert und war damals schon eine Bearbeitung. Ich habe beim Schreiben auch an Umberto Eco gedacht, seine Art, Vergangenheit und Gegenwart, Populäres (Kriminalroman) und Anspruchsvolles zusammenzubringen.
Dann habe ich mir beim Hören der Musik aber auch Kalifornien vorgestellt mit diesen melancholischen und wie schöne Skulpturen in der Landschaft stehenden Hochhäusern. Irgendwie scheint mir alles dort von einer ästhetischen Schwermut verzaubert, auch wenn Technik und Industrie reibungslos zu funktionieren scheinen.
Die Kompositionen tragen den Titel “Felix namque“, “Glücklich freilich…“
Der Titel stammt ebenso wie die Musikvorlage aus einer lateinischen Marienmesse, die Thomas Tallis als cantus firmus benutzt und für Tasteninstrument bearbeitet hat. Im Offertorium gibt es ein Gebet an die Jungfrau Maria, dass sie sich glücklich schätzen soll, den Urheber von Gerechtigkeit und Wahrheit in die Welt gesetzt zu haben.
Ein Streichtrio haben Sie mittlerweile im ähnlichen Stil komponiert.
Ja. Auch wieder diese gebrochene und mit Erinnerungen zersetzte Bearbeitung einer Bearbeitung aus dem 16. Jahrhundert; Wohlklang, Harmonie und Statik gleichermaßen. Aus dem gleichen Material ist noch ein Duo für Geige und Cello sowie ein Solo für Bratsche im Entstehen.
In einer abendfüllenden Aufführung können alle vier Teile der Komposition in steigernder oder abnehmender Reihenfolge vorgetragen werden (Quartett, Trio, Duo, Solo). Die zweite Variante gibt dem Konzert einen eher mystisch-
Die Uraufführung der Streicherfassung in der Stuttgarter Reihe “Musik der Jahrhunderte“ am 18.11.95 geht auf eine Initiative von Hans-
New-
Die Musik fließt dissonanzlos eine halbe Stunde dahin, eine Zeitreise durch mehrere Stile und Epochen. Manche Zuhörer machen tatsächlich die Augen zu und träumen sich in dieser Harmonie irgendwohin. Auf jeden Fall ist es keine expressionistische Musik, die aufschrecken oder verwirren will.
Wie geht’s weiter mit dem Komponieren?
Ich vergesse meine andere Schiene nicht. Ein zweites Buch über Musik ist fertig, eine Ausstellung mit Musikgrafiken aus den “wilden Siebzigern“ in Vorbereitung. Ein Orchesterstück ist in Arbeit, es ist bereits komponiert, muss nur noch instrumentiert werden. Dazu wird es auch eine Techno-
Genug zu tun also. Vielen Dank für das Gespräch!
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