Über die Sinnfrage

Ein Gespräch mit Reinhold Urmetzer

Frage: Ein Buch über den Sinn –

Antwort: Es ist kein Buch über den Sinn des Lebens. Eher ein Nachdenken und Forschen über die Worte „Sinn“ und „Leben“, auch „Gesellschaft“ und was die Philosophiegeschichte dazu zu sagen hat. Die Frage nach dem Sinn ist zwar eine Frage, welche die Jugend besonders gerne stellt. Aber die Antwort betrifft eigentlich alle.

Was meinen Sie mit Philosophiegeschichte?

Ich habe Platon und die hellenistische Spätantike ausgesucht, auch Autoren aus der Zeit der Verwirrung und Konfusion am Ende des römischen Reiches im 2.und 3. Jahrhundert mit einbezogen, als das Christentum seine Zersetzungsarbeit bereits erfolgreich gestartet hatte. Eine Zeit, die tatsächlich sehr unserer Gegenwart gleicht. Ich nenne nur die Stichworte Machtmissbrauch, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Imperialismus, „Alles geht“ und die Orientierungslosigkeit, Luxus, Konsum, Vergnügen…

Daran schließt sich das Kapitel „Hedonismus“ an, ausgehend von den griechischen Autoren über Freud und Wilhelm Reich bis hin zu den Hippies der 70er Jahre unter Einschluss der Gegenwart. Auch ob die Lust, insbesondere die sexuelle Lust, den Sinn des Lebens ausmachen kann.

Ein Exkurs führt dann zum Pluriversum, ein Begriff, mit dem ich im eher positiven Sinn die Vielfalt unserer Zeit im Denken, Forschen, in der Moral, vor allem aber auch in den extrem unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Lebensformen und Lebensstilen der Gegenwart verbinde. Ein längeres Lese-Kapitel beschäftigt sich mit Pascal und seiner Vorstellung vom Menschen. Heidegger, Sartre und Camus werden ebenfalls angesprochen.

Also eine Wanderung durch die Philosophiegeschichte.

Im Gegenteil. Das Buch will kein trockenes Geschichtsbuch sein. Es wendet sich nicht an Fachleute, sondern eher an interessierte Laien. Auch an junge Menschen, die philosophieren möchten. Denn so ist das Buch ja entstanden: als Antwort meinerseits auf eine Frage aus diesem Kreis. Ob dabei auch die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet wird, mag der Leser selber entscheiden

Sie sind als Saar-Franzose, wie Sie es nennen, mit der französischen Lebenswelt bestens vertraut. Ist das Buch wieder im Stil der Franzosen geschrieben?

Nein. Diesmal gibt es leider, muss ich wohl sagen, nur wenige „delirierende“ oder dekonstruktive Stellen. Das Buch ist durch und durch journalistisch geschrieben, nennen wir es nun einmal so, ohne jedoch gleich ins Pseudo-Rationalistische abzugleiten. Das heißt es gibt auch literarisch-unterhaltende Seiten.

Größere Extravaganzen, was den Stil betrifft, wird man in meinem nächsten Buch vorfinden können. Es heißt „Landschaft mit Martyrium der Heiligen Katharina“, hat mit Maurice Blanchot, auch mit der Emanzipation von Mann und Frau zu tun und ist schon vor etwa zwanzig Jahren geschrieben worden.

Wann wird es erscheinen?

Ich weiß es noch nicht. Das Layout ist bereits in Arbeit. Aber ich will noch einige Grafiken oder Zeichnungen einbauen lassen. Außerdem sind wieder etliche Seiten des Buches aufgespalten in zwei oft gegensätzliche und heterogene Teile.

Sie beziehen sich an einer Stelle des neuen Buches auf Montaigne.

Ja. Ein Vorbild vielleicht in dem Sinne, dass ich Zitate, Abschweifungen, persönliche Erfahrungen und Lebenspraxis in das Ganze einstreue. Überhaupt mag ich das Kreuz-und-Quer-Denken bei Montaigne gerne.

„Über die Sinnfrage“ endet mit sehr eigenwilligen Literaturhinweisen.

Warum eigenwillig?

Jeder Buchvorschlag wird fast mit einem Werturteil abgeschlossen.

Das stimmt. Es gibt zu jedem dieser Lese-Tipps eine kurz gefasste und sehr subjektiv-wertende Information über das Buch, das zu studieren sich auf jeden Fall lohnt. Sonst hätte ich es nicht ausgewählt oder mich darauf bezogen. Ich baue eine kleine Brücke zum Verständnis dieser Werke und inwiefern sie alle noch heute aktuell sind.

Die Spannweite reicht von Platon über Lukian und Sextus Empirikus bis zu Herbert Marcuse und den psychologischen Schulen der Gegenwart, die alle einem Leben und Glück und Sinn beibringen möchten.

Das hört sich nach einer Abwertung an.

Nein. Ich bleibe eher neutral. Fakt ist jedoch, dass sich kein Zeitgenosse unserer westlichen Welt den Einflüsterungen der neuen Psycho-Gurus via Werbung und Internet entziehen kann. Nur wissen es die meisten nicht, wie sie beeinflusst werden, um es jetzt einmal höflich auszudrücken.

Sie merken, wir sind schon wieder bei meinem Lieblingsthema Fremdsteuerung und Manipulation versus Selbstregulierung angekommen.

Ein eher düsteres Kapitel im Buch handelt von der Fremdheit.

Warum düster? Dass wir uns alle fremd sind selbst in der größten Nähe, das dürfte doch keine neue Erkenntnis sein. Nähe, menschliche Nähe, ist eine Fiktion. Das Ich ist ein anderer, sagt schon Rimbaud. Doch das macht unser Leben doch auch spannend und abwechslungsreich.

Vor allem wenn man im Pluriversum lebt, wie Sie zu sagen pflegen.

Genau. Inmitten von Gegensätzen, Überraschungen, Ungeheuerlichkeiten. Wir leben in einem Chaos, auch wenn die Dogmatiker der Wissenschaft und die Sozial-Ingenieure und die Politiker immer wieder etwas anderes behaupten müssen.

Unheil, Nichtwissen und Katastrophen brechen durch neue Hintertürchen und trotz aller Gegenbewegungen dennoch in unsere wohl geordnete Welt immer wieder herein. Sehr heftig sogar. Nur dann spüren wir es.

Das klingt jetzt sehr pessimistisch.

Nein. Das Chaos ist die Summe aller Möglichkeiten, der guten wie der schlechten. Es entfesselt Kreativität, Fortschritt manchmal und in Anführungszeichen, auf jeden Fall auch Abwechslung und Änderung. All das ist Leben. Und in diesem Taumel mit zu schwimmen heißt: lebendig sein, lebendig bleiben. Mit schwimmen zu müssen kann jedoch auch Zwang und Unfreiheit, Leistungsdruck, Überforderung bedeuten. Die Grenzen des Wachstums sind schon lange und in vieler Hinsicht erreicht, ja überschritten. Unser Wirtschaftssystem befindet sich m.E. tatsächlich in einem Zustand von Delirium und Taumel.

An was arbeiten Sie gerade?

Erziehung beschäftigt mich. Konfusion und Chaos herrschen auch in diesem Bereich. Es gehen mir die vielen geplagten und leistungsgedrückten Kinder durch den Kopf. Als hätte es nie einen Alexander Neill oder eine Maria Montessori gegeben. Alles ist wieder voll von Regeln, Geboten und Vorschriften in der kindlichen Welt. Von Liebe und Geduld redet niemand mehr.

Ein Kapitel dieses Erziehungsbuches wird sich mit „Feel“, einem Popsong von Robbie Williams, beschäftigen. Auch hier geht es um Sinn in Form von leben können, leben lernen, lebendig sein, Lust, Liebe. Ich greife die Wilhelm Reich-Thematik wieder auf, ohne dass ich zu einem Reichianer werden würde.

Wo kann man das Sinn-Buch kaufen?

Es ist in allen Buchhandlungen unter der ISBN-Nummer 978-3-00-034547-0 zum Preis von 14,50 Euro erhältlich. Eine Direkt-Bestellung beim Verlag edition weissenburg wird zusätzlich noch mit einem Autogramm von mir belohnt.


Das Gespräch führte Alexei Chibakov

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Reinhold Urmetzer, „Über die Sinnfrage“ 14,50 €
ISBN 978-
3-00-034547-0

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