16 Antwort
Antwort
Ich bin auf die Beantwortung der rhetorischen Frage am Ende meines Blogtextes Nr.14 vom 4. März 2014 angesprochen worden. Was ich persönlich dazu denke. Ob ich nicht auch Glück oder zumindest Zufriedenheit anstrebe und suche.
Bei all dem Streit und der Relativität der Begriffe Glück, Lust, Zufriedenheit, Liebe oder auch Hilfe (um nur einige sinnstiftende Werte zu nennen) ist doch eine Tatsache unumstößlich und gewiss. Sie steht auch jenseits der Worte und aller Philosophie: der Tod. Der Tod relativiert sogar die Relativität und löst sie in Staub auf. Gerade der Existenzialismus hat dieses Phänomen in den Mittelpunkt seines Denkens gestellt: Dass wir immer nur unterwegs zum Tode sind, die Endlichkeit und Begrenztheit des Menschen. Seneca und Pascal haben diese Tatsache sehr nachdrücklich und früh uns ins Bewusstsein gerückt (1).
Also sollte unser verallgemeinerbares, das heißt auch für alle gültiges Ziel sein, den Tod möglichst bei uns und bei anderen zu vermeiden.
Bei uns, indem man verantwortungsvoll mit dem eigenen Körper umgeht. Indem man ihn schützt, pflegt, hegt. Bei anderen, indem man auch fremden Körpern keinen Schaden zufügt. Dass man ganze Völker nicht mit Krieg und Gewalt und Bürgerkrieg auszulöschen versucht. Ich denke dabei an die Plakate, die ich heute an den Schaufenstern der ehemaligen Musikbücherei am Charlottenplatz in Stuttgart ggesehen habe: Tod in Syrien – wie lange noch?
Alle anderen Ableitungen von diesem Ziel, den Tod zu vermeiden so gut wie es geht, sind relativ. Jeder wie er will und kann: ein Leben in Lust oder Askese, strebend oder selbstgenügsam, buddhistisch oder hedonistisch, reich oder arm, mit oder ohne Menschen, arbeitsam oder arbeitsscheu etc.
Ausgeklammert bleibt jedoch dabei die theologische Frage, ob wir überhaupt einen Einfluss auf unseren Tod haben können. Ob wir nicht von einem allmächtigen Schicksal geleitet werden – tagtäglich von Engeln und Schutzheiligen und einem liebenden Gott geführt oder auch im Sinne der Antike mit einem Schicksalsfaden versehen, dessen Länge und Festigkeit schon bei unserer Geburt von den Parzen gesponnen worden ist und der schließlich, wenn es soweit kommt, von der Göttin Atropos zerschnitten werden wird.
Interessant finde ich auch Platons mythologische Idee (in der Erzählung des „Er“ am Ende seines „Staates“), dass wir an einem bestimmten Punkt unseres Lebens, manchmal früher, manchmal später, den Schicksalsweg „losen“ (wählen) und ihm dann unumstößlich folgen müssen.Das hört sich sehr wenig nach Freiheit und Selbstbestimmung an. Dennoch, sagt Platon, muss es kein schlechter Weg sein, sofern man den Tugenden, die uns die Tradition und Religion zur Verfügung stellen, dabei folgt.
Ich denke, der Zeitpunkt, an dem man sein Schicksals-Los wählt, ist bei den meisten Menschen das Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren: Beruf, Liebe, Familie – sie definieren den weiteren Weg. Sogar die Ort-Findung und Fest-Setzung der Person(en) spielt manchmal eine gewichtige Rolle mit dabei.
1 Vgl. Reinhold Urmetzer, „Über die Sinnfrage“ das Kapitel 5 „Pascal lesen“ (ISBN 978-3-00034547-0