18 Über Logozentrismus
Über Logozentrismus
Ich bin im Anschluss an meinen letzten Blogbeitrag gebeten worden, das Wort „Logozentrismus“ zu erläutern. Es steht im Mittelpunkt von Derridas Denken, ist auch von ihm vielleicht erfunden worden und setzt tatsächlich einen neuen philosophischen Gedanken in die Welt.
Es hängt mit der These des Feminismus zusammen, dass Frauen anders denken würden als Männer. Der Komponist John Cage hat bereits in den 60er Jahren sein für mich sehr inspirierendes „Andere Menschen denken anders“ propagiert und damit auch teilweise seine revolutionäre Ästhetik verteidigt oder auch begründet.
Auch die sich an den Universitäten neu bildende vergleichende Völkerkunde (Ethnologie), allen voran wieder die Franzosen mit Claude Levi-Strauss, hatte mit ihrer These vom „wilden Denken“ z.B. der Amazonas-Indianer einen großen Einfluss auf die internationale Diskussion. Dass das „wilde Denken“ tatsächlich ein anderes Denken sein kann. Auch entsprechende Grammatik-Forschungen haben dies bestätigen können.
Nun behauptet Derrida, dass sich das Denken des Mannes wesentlich auf Logik gründet, während das Denken der Frau auch von Emotion, Empathie, Intuition und sogar auch von Ästhetik mit beeinflusst werden kann. Unlogisches Denken überfordert den Mann, während die Frau davon sich inspirieren, also zum Weiterdenken sogar verleiten oder anspornen lässt. Unlogisches, auch paradoxes Denken, auch Bildhaftigkeit führen im Mann zu einer Blockade seines Verstehens, auch seiner Bereitschaft zu verstehen, während die Frau scheinbar davon beflügelt werden kann.
Der Mann will immer nur eins und das ganz genau und exakt und vielleicht auch schnell, nicht wahr. Seine Logik, mit der er auch Rationalität, sogar Vernunft verbinden will, mag sich in ihrer unbedingten Richtigkeit oder im Rechthabenwollen aufblähen, fest, unbeherrscht, stark werden, auch groß und faszinierend (was für Worte habe ich jetzt wieder gefunden!) – und schon sind wir beim Phallus, seiner Größe, Herrschaft und Macht, der Phallokratie.
Phallus (als Bild), Erregung, Stärke, Steigerung und Sieg definieren also das männliche Streitgespräch, männliches Denken. Wohingegen die Frau Umwege, Kompromisse, Unterlegenheit, Niederlage scheinbar eher auszuhalten bereit ist.
Nun behaupten die Kritiker des Logozentrismus (= die männerspezifische Logik muss auch international im Zentrum eines jeden Diskurses stehen), dass dies eine spezifisch abendländisch-westliche Errungenschaft sei, während sie bei anderen Völkern weniger ausgeprägt wäre. Der Logozentrismus wäre mithin auch Ergebnis eines (kulturimperialistischen) Eurozentrismus. So würde das chinesisch-japanische Denken viel weniger die Dichotomie Ja/ Nein kennen, stattdessen das Und, das Sowohl-als-auch im Diskurs einsetzen. Der fundamentale aristotelische Satz der Logik, dass A nicht gleichzeitig auch B sein könne (der Satz vom Widerspruch, auch vom ausgeschlossenen Dritten) gilt also in diesen Kulturen nur bedingt. Deshalb hat man dort mit Paradoxien viel weniger Probleme als wir hierzulande. Der Zen-Buddhismus lebt geradezu davon, dass er die Ja/Nein Dichotomie ablehnt: A kann auch B sein.
Andererseits (oder auch bezeichnenderweise) funktioniert das digitale Denken der Computer nur mit 0 und 1 – und es ist sehr effektiv, nützlich, vielleicht sogar überlebensnotwendig. Wir möchten nicht mehr darauf verzichten.
Alle diese Beispiele von Denkmöglichkeit zeigen nur wieder, dass es Wahrheit immer nur von Fall zu Fall geben kann. Dass wir uns immer wieder in einem chaotischen Pluriversum befinden, hin und her taumelnd von These zu Antithese und zurück, erfolgreich sein können mit dem einen sowie mit dem anderen gelegentlich. – Doch was heißt schon erfolgreich?
Platon würde einfügen: Selbst in dieser Problematik, in diesem Widerspruch zeigt sich die Idee der Wahrheit als überzeitlicher Wegweiser und Wert. In der schönen Blume zeigt sich uns nicht nur der konkrete Fall von Schönheit dieser einen Blume, sondern gleichzeitig leuchtet und schimmert uns darin die Idee der Schönheit als überzeitliches Phänomen entgegen.
Im Lieben einer bestimmten Person zeigt sich nicht nur Freude, Begehren, Lust und Dankbarkeit. Sondern sie ist ein allgemeines Zeichen der ewigen und überzeitlichen Idee der Liebe, die wahrzunehmen, zu erkennen nicht nur eine Sache des Fühlens, sondern auch der geistigen Wahrnehmung ist.
Als Abbild einer Idee, eines „Urbildes„, enthüllt diese Blume also eine große und schöne und überzeitlich gültige Wahrheit. Trotz aller Not und Pein und Relativität unserer Erkenntnis.
Auch bezüglich dieser meiner sehr eng und auf mich, meine Biografie, Lebensgeschichte oder körperliche Befindlichkeit jetzt eingegrenzten Relativität des Denkens.
Aber sogar hinter jeder Relativität steht die Idee des Relativismus, welche uns auch jetzt wieder anlächelt, beobachtet, manchmal auch beschützt, wie wenn sie sagen wollte:
Weiter so, Ameise, in deinem schön gestalteten Staat und in deiner logisch geordneten Welt. Weiter so mit deinen schönen Vorstellungen von Idee, Denken, Gerechtigkeit, Selbst-und Arterhaltung, Relativität. Der Fußtritt des Waldarbeiters dort drüben kann dich und deinen Staat sofort zugrunde richten. Und du weißt noch nicht einmal wer, warum, wozu und weshalb. Denn du hast keine Vorstellung von diesem höheren Wesen, seinem Denken, seinem Aussehen, seinem Tun. Nein, das hast du nicht. Selbst wenn du dich noch so sehr bemühst, berechnest, betest, zweifelst und/oder glaubst.