312 Römische Lektüre: Aulus Gellius (2)
Den Tweet von 8.3.19 will ich an dieser Stelle genauer vorstellen. Aulus Gellius (125-ca.180) bezieht sich auf eine von Marcus Cato gehaltene Rede vor Soldaten. Es geht darin um einen jungen Halbwüchsigen, Papirius pratextatus, also ein noch nicht volljähriger Junge je nach Bartwuchs (Pubertät), zwischen 15-20 Jahre alt (später sogar bis 25, siehe Augustus). Er hat mit seinem Vater einer Senatssitzung beigewohnt und war zum Stillschweigen verpflichtet. Er durfte auch auf Drängen seiner Mutter nichts sagen, was im Senat verhandelt worden ist. Das Problem mit der Mutter versucht er mit einer „Notlüge“ zu erledigen. Er gibt vor, man habe im Senat die Frage diskutiert, ob mann nicht auch zwei Frauen heiraten könne.
Auf diese Botschaft ihres Jungen hin war die Mutter so bestürzt, dass sie sofort mit etlichen Nachbarinnen eine Protestaktion startete und vor den Senat zog mit dem Vorschlag, wenn ein Mann zwei Frauen besitzen könne, dann wäre es doch noch besser, wenn eine Frau zwei Männer heiraten dürfe. Der Senat belässt jedoch alles beim Alten – bis auf den heutigen Tag.
Papirius jedoch wird im Laufe der Zeit wegen diesem seinem guten Einfall der Zutritt zu jeder Senats-Versammlung gewährt, und er erhält später auch den ehrenden Beinamen Praetextatus, „weil er noch in der Knabentracht der Toga praetexta Klugheit bewiesen hatte im Schweigen wie im Reden“, so Aulus Gellius.
Im Folgenden gebe ich den OriginalText wieder, wie ihn der Autor als „schlichten Tatsachenbericht“ und weniger wegen seiner „eindrucksstarken sprachlichen Vorzüge“ aufgezeichnet hat, so Originalton Gellius. Angeblich hat er diese Rede gehört und er gibt sie aus seiner Erinnerung wieder.
Nun muss man aber bedenken, dass in der Antike vieles geschrieben, vieles gefälscht, erfunden wurde, vieles interpretiert und hinterfragt werden musste. Wie heute auch. Insofern ist nicht alles, was man schwarz auf weiß vor sich hat, auch glaubwürdig. Dennoch ist die Idee, dass eine Frau zwei Männer haben könne, mittlerweile nicht mehr ganz so abwegig. Warum nicht ein Kind zu dritt zeugen und in die Welt setzen und so eine neue Art von Familie gründen, die es bislang als staatlich anerkannte Familien-Form (mit dreifachem Ehegattensplitting?) noch nicht gegeben hat.
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… Die Mutter des jungen Papirius, der mit seinem Vater an dieser Sitzung teilgenommen hatte, versuchte nun von ihrem Sohn zu erfahren, was in besagter Sitzung behandelt worden wäre. Antwortet der Knabe: Darüber müsse er Stillschweigen bewahren, Gespräche über dieses Thema seien nicht erlaubt.
Das Verlangen der Frau, etwas zu erfahren, wuchs dadurch noch mehr. Das Geheimnisvolle der ganzen Angelegenheit ebenso wie die Verschwiegenheit des Knaben reizen sie zu immer weiteren Nachforschungen, dringender und ungestümer werden Ihre Fragen. Da ihm nun die Mutter keine Ruhe lässt, entschließt sich der Knabe zu einer tollen, witzigen Notlüge.
So gab er an, im Senat sei darüber beraten worden, ob es zweckmäßiger und dem Staate dienlicher sei, wenn ein Mann zwei Frauen habe oder eine Frau mit zwei Männern verheiratet sei. Bei diesen Worten schreckt sie zusammen, stürzt am ganzen Leib zitternd aus dem Haus, um allen anderen Ehefrauen diese Neuigkeit mitzuteilen. Am nächsten Tag zieht eine ganze Schar von Familienmüttern vor das Senatsgebäude. Weinend und beschwörend bringen sie ihre Bitte vor, es möchte doch lieber einer Frau zwei Männer als einem Mann zwei Frauen gegönnt werden.
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Ich will hinzufügen, dass es gerade in der Kaiserzeit und auch schon 100 Jahre zuvor nicht mehr mit dem Nachwuchs klappen wollte. Der Staat brauchte dringend Kinder für die zahlreichen Kriegszüge, die einen hohen Blutzoll forderten. Aber wie? Augustus, der nur ein Kind in die Welt setzte, verschärfte die Ehe-und Abtreibungsgesetze (Ehepflicht für alle). Auch die Homosexualität außerhalb der Knabenliebe, die bei manchen (auch bei Augustus selbst) erst mit 25 zu Ende ging, wurde ambivalent betrachtet. Über das Thema der fehlenden Nachkommen gibt es in der Geschichtswissenschaft mehrere Theorien. Selbst gegenwärtig wird die UrsachenFrage der Kinderlosigkeit weiter diskutiert. Doch wenn bald nur noch Kinder geklont und intelligente Roboter in den Krieg ziehen werden…