Frage: Ein Buch über den Sinn –
Antwort: Es ist kein Buch über den Sinn des Lebens. Eher ein Nachdenken und Forschen
über die Worte „Sinn“ und „Leben“, auch „Gesellschaft“ und was die Philo-
Was meinen Sie mit Philosophiegeschichte?
Ich habe Platon und die hellenistische Spätantike ausgesucht, auch Autoren aus der Zeit der Verwirrung und Konfusion am Ende des römischen Reiches im 3.Jahrhundert mit einbezogen, als das Christentum seine Zersetzungsarbeit bereits erfolgreich gestartet hatte. Eine Zeit, die tatsächlich sehr unserer Gegenwart gleicht. Ich nenne nur die Stichworte Machtmissbrauch, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Imperialismus, „Alles geht“ und die Orientierungslosigkeit, Luxus, Konsum, Vergnügen…
Daran schließt sich das Kapitel „Hedonismus“ an, ausgehend von den griechischen Autoren über Freud und Wilhelm Reich bis hin zu den Hippies der 70er Jahre unter Einschluss der Gegenwart. Auch ob die Lust, insbesondere die sexuelle Lust, den Sinn des Lebens ausmachen kann.
Ein Exkurs führt dann zum Pluriversum, ein Begriff, mit dem ich im eher positiven
Sinn die Vielfalt unserer Zeit im Denken, Forschen, in der Moral, vor allem aber
auch in den extrem unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Lebensformen und Lebensstilen
unserer Gegenwart verbinde. Ein längeres Lese-
Also eine Wanderung durch die Philosophiegeschichte.
Im Gegenteil. Das Buch will kein trockenes Geschichtsbuch sein. Es wendet sich nicht an Fachleute, sondern eher an interessierte Laien. Auch an junge Menschen, die philosophieren möchten. Denn so ist das Buch ja entstanden: als Antwort meinerseits auf eine Frage aus diesem Kreis. Ob dabei auch die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet wird, mag der Leser selber entscheiden
Sie sind mit der französischen Lebenswelt bestens vertraut. Ist das Buch wieder im Stil der Franzosen geschrieben?
Nein. Diesmal gibt es leider, muss ich wohl sagen, nur wenige „delirierende“ oder
dekonstruktive Stellen. Das Buch ist durch und durch journalistisch geschrieben,
nennen wir es nun einmal so, ohne jedoch gleich ins Pseudo-
Größere Extravaganzen, was den Stil betrifft, wird man in meinem nächsten Buch vorfinden können. Es heißt „Landschaft mit Martyrium der Heiligen Katharina“, hat mit Maurice Blanchot, auch mit der Emanzipation von Mann und Frau zu tun und ist schon vor etwa zwanzig Jahren geschrieben worden.
Wann wird es erscheinen?
Ich weiß es noch nicht. Das Layout ist bereits in Arbeit. Aber ich will noch einige Grafiken oder Zeichnungen einbauen lassen. Außerdem sind wieder etliche Seiten des Buches aufgespalten in zwei oft gegensätzliche und heterogene Teile.
Sie beziehen sich an einer Stelle des neuen Buches auf Montaigne.
Ja. Ein Vorbild vielleicht in dem Sinne, dass ich Zitate, Abschweifungen, persönliche
Erfahrungen und Lebenspraxis in das Ganze einstreue. Überhaupt mag ich das Kreuz-
„Über die Sinnfrage“ endet mit sehr eigenwilligen Literaturhinweisen.
Warum eigenwillig?
Jeder Buchvorschlag wird fast mit einem Werturteil abgeschlossen.
Das stimmt. Es gibt zu jedem dieser Lese-
Die Spannweite reicht von Platon über Lukian und Sextus Empirikos bis zu Herbert Marcuse und den psychologischen Schulen der Gegenwart, die alle einem Leben und Glück und Sinn beibringen möchten.
Das hört sich nach einer Abwertung an.
Nein. Ich bleibe eher neutral. Fakt ist jedoch, dass sich kein Zeitgenosse unserer
westlichen Welt den Einflüsterungen der neuen Psycho-
Sie merken, wir sind schon wieder bei meinem Lieblingsthema Fremdsteuerung und Manipulation versus Selbstregulierung angekommen.
Ein eher düsteres Kapitel im Buch handelt von der Fremdheit.
Warum düster? Dass wir uns alle fremd sind selbst in der größten Nähe, das dürfte doch keine neue Erkenntnis sein. Nähe, menschliche Nähe, ist eine Fiktion. Das Ich ist ein anderer, sagt schon Rimbaud. Doch das macht unser Leben doch auch spannend und abwechslungsreich.
Vor allem wenn man im Pluriversum lebt, wie Sie zu sagen pflegen.
Genau. Inmitten von Gegensätzen, Überraschungen, Ungeheuerlichkeiten. Wir leben in
einem Chaos, auch wenn die Dogmatiker der Wissenschaft und die Sozial-
Unheil, Nichtwissen und Katastrophen brechen durch neue Hintertürchen und trotz aller Gegenbewegungen dennoch in unsere wohl geordnete Welt immer wieder herein.
Das klingt jetzt sehr pessimistisch.
Nein. Das Chaos ist die Summe aller Möglichkeiten, der guten wie der schlechten.
Es entfesselt Kreativität, Fortschritt manchmal und in Anführungs-
An was arbeiten Sie gerade?
Erziehung beschäftigt mich. Konfusion und Chaos herrschen auch in diesem Bereich. Es gehen mir die vielen geplagten und leistungsgedrückten Kinder durch den Kopf. Als hätte es nie einen Alexander Neill oder eine Maria Montessori gegeben. Alles ist wieder voll von Regeln, Geboten und Vorschriften in der kindlichen Welt. Von Liebe und Geduld redet niemand mehr.
Ein Kapitel dieses Erziehungsbuches wird sich mit „Feel“, einem Popsong von Robbie
Williams, beschäftigen. Auch hier geht es um Sinn in Form von leben können, leben
lernen, lebendig sein, Lust, Liebe. Ich greife die Wilhelm Reich-
Wo kann man das Sinn-
Es ist in allen Buchhandlungen unter der ISBN-
Das Gespräch führte Alexei Chibakov
*
Reinhold Urmetzer, „Über die Sinnfrage“ 14,50 €
ISBN 978-